Die VOS Bezirksgruppe Chemnitz – Stollberg – Hohenstein-Ernstthal und der Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. trauern um Zeitzeuge Rudolf Sehm (30. Mai 1932 – 27. Juli 2020)

Veröffentlicht in: Uncategorized | 0

Am 27. Juli 2020 verstarb unser Zeitzeuge und Kamerad Rudolf Sehm. Die VOS Bezirksgruppe Chemnitz – Stollberg – Hohenstein-Ernstthal und der Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. sind in Gedanken bei seiner Familie und seinen Angehörigen. Rudolf Sehm engagierte sich seit den 1990er Jahren in der Vereinigung der Opfer des Stalinismus e.V. und begleitete den Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. seit vielen Jahren auf dem Weg zur künftigen Gedenkstätte. Er setzte sich Zeit seines Lebens für seine Haftkameradinnen und Haftkameraden ein. Jährlich beteiligte er sich am Bautzen-Forum und legte für die VOS vor Ort einen Kranz nieder. Für den Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. engagierte er sich als Zeitzeuge bei zahlreichen Veranstaltungen, wie den Chemnitzer Museumsnächten oder im vergangenen Jahr an den „Unentdeckten Orten“. Auch für Filmdokumentationen des Vereins stand er zur Verfügung.

Seine bewegende Geschichte bleibt unvergessen: Am 1. Juli 1947 erfolgte die Verhaftung des damals 15-jährigen Lehrlings, nachdem sich vier seiner Freunde bereits in Haft befanden. Einer der Jugendlichen hatte kurz nach Kriegsende eine Pistole gefunden und sie behalten. Die sowjetische Besatzungsmacht wertete dies als „illegale Bandenbildung“. Rudolf Sehm kam für etwa vier Monate in das Kaßberg-Gefängnis, das von 1945 bis 1952 unter Leitung des sowjetischen Geheimdienstes stand. „Es war eine schlimme Zeit“, erinnert er sich bei einem Gespräch. Die hygienischen Bedingungen, die stundenlangen Verhöre in der Nacht, die Brutalität und die Willkür zermürbten. Angelastet wurden ihm „Werwolftätigkeit“ und „Waffenbesitz“, obwohl der junge Mann aus Geyer noch nie einen Schuss abgegeben hatte und gar nicht wusste, was mit „Werwolf“ gemeint war. Ein sowjetisches Militärtribunal in Chemnitz verurteilte ihn zu 25 Jahren Arbeitslager. Von Chemnitz aus erfolgte der Transport nach Bautzen. Erst im März 1951 kam er durch eine Amnestie frei. Er sagte einmal, die Erinnerungen dürften nicht verblassen, das seien wir den Toten schuldig.

Die VOS und der Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. werden seinem Haftschicksal würdig gedenken und Rudolf Sehm mit seiner aufgeschlossenen Art und seinem standhaften Charakter immer in ehrvoller Erinnerung behalten.

Text und Fotos: Dr. Steffi Lehmann

Link teilen