Drei Schicksale 1939/1940

Veröffentlicht in: Aktuelles, Gedenken, NS-Zeit | 0

In der Hoffmannstraße auf dem Chemnitzer Kaßberg erinnern auf Höhe von Hausnummer 52 seit vergangener Woche Stolpersteine an die jüdische Familie Friede, deren Schicksal mit dem Kaßberg-Gefängnis verknüpft ist. Die Eheleute Siegfried und Erna Friede bemühten sich im März 1939 erfolglos um Auswanderung von Nazi-Deutschland nach Amerika, nachdem zuvor das Geschäft des Mannes boykottiert und schließlich „arisiert“ worden war, wie der Historiker und Stolperstein-Mitinitiator Dr. Jürgen Nitsche berichtet. Im Mai desselben Jahres gelang es, die 17 Jahre alte Tochter Edith mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit zu bringen. Erna Friede wurde im September 1939 gemeinsam mit ihrem Ehemann wegen angeblicher Devisenvergehen angeklagt. Im Herbst wurde sie gezwungen, die eheliche Wohnung aufzugeben, und musste in ein sogenanntes Judenhaus ziehen. Siegfried Friede war bereits Ende März verhaftet worden. Er befand sich den Nachforschungen Dr. Nitsches zufolge im Untersuchungsgefängnis Chemnitz, dem Kaßberg-Gefängnis, in Untersuchungshaft.

Am 14. Dezember 1939 fand die Verhandlung am Landgericht Chemnitz statt. Siegfried Friede wurde zu zehn Monaten Haft sowie erheblichen Geldstrafen verurteilt. Die Reststrafe trat er laut Dr. Nitsche noch am selben Tag an. Erna Friede wurde zu fünfeinhalb Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt. Gemäß einem Gnadenerlass wurde das Verfahren gegen sie eingestellt. Fünf Tage nach der Urteilsverkündung nahm sie sich mit Schlafmitteln das Leben. Ihr Mann unternahm nach der Haftentlassung im Februar 1940 einen weiteren Versuch, die Genehmigung für die Auswanderung zu erhalten, was erneut abgelehnt wurde. Offenbar unter dem Eindruck des Todes der Mutter und der ausweglosen Situation des Vaters nahm sich die Tochter im April 1940 ebenfalls das Leben. Im Dezember 1940 folgte Siegfried Friede seiner Ehefrau und seiner Tochter in den Tod.

Unser Foto zeigt die Stolpersteine zum Gedenken an Siegfried, Erna und Edith Friede vor der Hoffmannstraße 52, in dem die Familie gemeinsam wohnte. Einen ausführlichen Text von Dr. Jürgen Nitsche über Familie Friede, auf dem dieser Beitrag basiert, finden Sie hier. Wir danken Dr. Nitsche für den Hinweis und die Unterstützung. Insgesamt wurden am Dienstag vergangener Woche 23 neue Stolpersteine an zwölf Orten in Chemnitz verlegt.

Link teilen