Am 9. Juni 2017 berichteten uns die Zeitzeugen Jörn-Ulrich Brödel und Hartwig Albiro von ihren Erfahrungen in der DDR der späten 1940er Jahre. Moderiert wurde das Gespräch von Hanka Kliese, Sprecherin für Erinnerungskultur der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag und stellvertretende Vorsitzende des Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e. V, sowie dem Chemnitzer Filmemacher Klaus-Gregor Eichhorn.
Vor dem Zeitzeugengespräch wurden Ausschnitte aus einem Dokumentarfilm über die Altenburger Widerstandsgruppe gezeigt
(„Vier Schüler gegen Stalin“/MDR)
Jörn-Ulrich Brödel und Hartwig Albiro erzählten den Besuchern in der Rotunde des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses von dem politischen Druck, der vor allem auf der Jugend lastete. Beide besuchten dieselbe Schule. Als besonders erdrückend empfanden sie die politischen Vereinnahmungsversuche und die ständige Gängelei doch endlich in der FDJ mitzumachen. Die ihnen aus der Zeit des Nationalsozialismus vertrauten Aufmärsche, Fahnenappelle und Jubelbekundungen auf das – angeblich – nun demokratische System betrachteten sie mit Skepsis. Während Hartwig Albiro seine Liebe zur Schauspielerei und zum Theater entdeckte, übte Jörn-Ulrich Brödel mit anderen Jugendlichen aktiven Widerstand. Nach dem Vorbild der „Weißen Rose“ planten sie ausschließlich gewaltfreie Aktivitäten. So versahen sie einige Altenburger Fassaden in einer nächtlichen Aktion mit einem „F“, stellvertretend für das Wort Freiheit. Da einer der jungen Männer ein begabter Amateur-Funker war, schmiedeten sie den Plan einen Störsender zu errichten. Am Vorabend des 70. Geburtstages von Josef Stalin störten sie eine Propagandasendung der SED zu Ehren des sowjetischen Diktators mit dem eigens eingerichteten Piratensender. Die Gruppe flog auf. Die Altenburger Widerstandsgruppe war die einzige, die von einem Sowjetischen Militärgericht verurteilt wurde. Es folgten drakonische Strafen. In einem fingierten Gerichtsprozess wurden drei Jugendliche zum Tode verurteilt, Jörn-Ulrich Brödel erhielt 25 Jahre Zuchthaus. Im Jahr 1998 wurden alle Mitglieder der Altenburger Widerstandsgruppe rehabilitiert.
Der Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e. V. bedankt sich bei den beiden Zeitzeugen für die tiefen und ergreifenden Einblicke in ihr Leben. Ebenso möchte der Verein Hanka Kliese, Klaus-Gregor Eichhorn und dem Team von „politik offen“, insbesondere Egmont Elschner, für die Organisation danken.
Die Veranstaltung „Piratensender gegen Stalin“ wurde gefördert durch den Lokalen Aktionsplan für Demokratie, Toleranz und für ein weltoffenes Chemnitz.