Fördermittel-Bescheidübergabe durch Staatsministerin Barbara Klepsch am 26. Oktober 2020

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„Sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Mitglieder, liebe ZeitzeugInnen, liebe UnterstützerInnen, liebe Interessierte,

den heutigen Tag wird sich unser Verein rot im Kalender einrahmen. Der von Frau Staatsministerin für Kultur und Tourismus überreichte Förderbescheid ist ein Meilenstein für unsere Entwicklung. Die nun gesicherte Finanzierung ermöglicht den Umbau des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses zu einem Lernort für Demokratie. Wir freuen uns sehr über die Förderung und die kommende Gedenkstätte. Gleichwohl wissend, dass noch viel Arbeit bis zur Eröffnung der Gedenkstätte vor uns liegt, die mit dem heutigen Förderbescheid beginnen kann.

Ich möchte mich bei allen bedanken, die in den letzten neun Jahren den Verein auf seinem Weg begleitet, unterstützt und diese Entwicklung ermöglicht haben. Der heutige Erfolg hat viele Mütter und Väter. Den Gründungsmitgliedern, die den Verein ins Leben gerufen und damit eine Erfolgsgeschichte in Gang gesetzte haben. Unseren engagierten Mitgliedern, insbesondere den Zeitzeugen, die viele Jahre ehrenamtlich Führungen und Veranstaltungen organisiert haben. Ohne die Hartnäckigkeit und das Herzblut zahlreicher engagierter Menschen wären wir nie so weit gekommen.

Unser Verein wird von einem pragmatisch orientierten Vorstand geführt, der über viel Fachwissen, politische Erfahrung und ein großes Netzwerk verfügt. Auch ist der Verein seit drei Jahren dank der Förderung der Stadt Chemnitz professionell organisiert und hat eine eigene Geschäftsstelle, die mit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin und einem Zeitzeugen besetzt ist.

Vor über zwei Jahren ist Volker Bausch zu uns gestoßen, der uns als ausgebildeter Pädagoge und langjähriger Direktor der Gedenkstätte Point Alpha unterstützte. So hat Volker die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Peter Wellach und dem Büro beier+wellach Projekte initiiert. Ohne sein Hintergrundwissen und seine Aktivitäten in dem Bereich Vernetzung und Kommunikation wäre eine erfolgreiche Antragstellung für die Förderung der Gedenkstätte nicht möglich gewesen. Volker Bausch verstarb im Sommer 2019 nach schwerer Krankheit. Wir denken oft an ihn. Die künftige Gedenkstätte trägt auch seine Handschrift.

Wir danken unseren Fördermittelgebern, dem Freistaat Sachsen, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der Stadt Chemnitz für das Vertrauen, das sie in uns setzen, und für die Förderung der Gedenkstätte trotz einer immer schwieriger werdenden Haushaltslage. Wir stehen damit in der Verantwortung und werden unser Bestes geben, um in zwei Jahren die Gedenkstätte auf dem Kaßberg zu eröffnen.

Weiterhin bedanken wir uns beim Eigentümer der Immobilie, der Firma CEGEWO GmbH aus Chemnitz, für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in den letzten Jahren. Wir werden das Bauprojekt gemeinsam mit dem Eigentümer meistern. Der langfristige Mietvertrag gibt uns die Planungssicherheit, die wir brauchen.

Wir wollen innerhalb der nächsten zwei Jahren eine Gedenkstätte am historischen Ort schaffen, nachdem wir bereits im April 2017 an der ehemaligen Gefängnismauer diesen Gedenkort mit der Förderung durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten errichtet haben.

Der Gedenkort wird durch einen frei zugänglichen Außenrundgang mit der künftigen Gedenkstätte verbunden. Anhand eines Modells sowie Stelen, Pulten und Intarsien führt der neue Außenrundgang an längst verschwundenen Gebäudeteilen entlang. Mit Hilfe digitaler Technik wollen wir den historischen Ort visuell auferstehen lassen, insbesondere die Busschleuse, durch welche die freigekauften Häftlinge gefahren sind.

Über den sogenannten Kopfbau gelangen die Gäste des Lernortes in den Eingangs- und Servicebereich mit Büros, einem Café, Seminar- und Veranstaltungsräume. Das Erdgeschoss ist für pädagogische Bildungsprogramme und Sonderausstellungen vorgesehen. Wir wollen einen Lernort für Demokratiebildung schaffen, der sich vor allem an junge Menschen wendet und den Wert einer freiheitlichen, rechtsstaatlichen Demokratie vermittelt.

Die Gedenkstätte wird in jenem Zellentrakt entstehen, in dem die für den Freikauf bestimmten politischen Häftlinge untergebracht waren. Zwischen 1962 und 1989 kaufte die Regierung der Bundesrepublik Deutschland über 33.000 politische Häftlinge aus den Gefängnissen der DDR frei. Annähernd 90 Prozent von ihnen gelangten über das Kaßberg-Gefängnis in die Freiheit. Auf diesem in Deutschland und Europa einmaligen Vorgang liegt der Schwerpunkt der künftigen Gedenkstätte.

In dem ehemaligen Zellentrakt betrachten wir im ersten Obergeschoss den deutsch-deutschen Häftlingsfreikauf. Um dessen Geschichte anschaulich zu vermitteln, werden in den ehemaligen Zellen die persönlichen Haftschicksale von 14 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geschildert.

Natürlich werden auch die anderen Perioden in der Geschichte des Haftorts beleuchtet. Dabei setzten wir die Ausstellungsnarration fort. Für jede Epoche stehen die Biografien der Inhaftierten im Mittelpunkt. Das ehemalige Kaßberg-Gefängnis hat als Repressionseinrichtung in zwei deutschen Diktaturen Bedeutung. Im zweiten Obergeschoss werden die MfS-Untersuchungshaft und die Haft in der Nutzungszeit des sowjetischen Geheimdienstes NKWD betrachtet. Im dritten Obergeschoss widmet sich die Ausstellung der NS-Diktatur. Die neue Gedenkstätte wird über alle Stockwerke barrierefrei über einen Aufzug erschlossen.

Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass ich Sie alle bei der Eröffnung der Gedenkstätte in etwa zwei Jahren wieder sehe und sagen kann: Wir haben auf dem Kaßberg einen europäischen Erinnerungsort geschaffen, der Besucherinnen und Besucher aus der Stadtgesellschaft, der Region und aus ganz Europa nach Chemnitz lockt. Hier haben die Menschen die Chance, einen lebendigen Kontakt zu den Themen des historischen Orts zu bekommen. Der Lernort für Demokratie lädt zum freien Meinungsaustausch ein und wirkt demokratiefördernd. Er macht deutlich, was die Gesellschaft verliert, wenn der Rechtsstaat verloren geht.“

Unter folgendem Link finden Sie die Pressemittelung des Staatsministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus: https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/242181

Weitere Veröffentlichungen zu dieser Veranstaltung können Sie in unserem Medienecho nachlesen.

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