Gedenken zum 9. November 2020

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Am 9. November vor einem Jahr begannen die Lichterwege mit etwa 200 Chemnitzer*innen am Gedenkort des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses. In diesem Jahr gedenken die Vorstände und Mitglieder des Lern- und Gedenkortes Kaßberg-Gefängnis im kleinen Kreis der Opfer der Novemberprogrome. An dem Ort der zerstörten Chemnitzer Synagoge am Stephanplatz.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 verwüsteten und steckten Nationalsozialisten in ganz Deutschland Synagogen und Bet-Räume, jüdische Geschäfte und Wohnungen in Brand und misshandelten, verschleppten und ermordeten jüdische Mitbürger. Das ehemalige Kaßberg-Gefängnis symbolisiert für viele dieser Opfer das Tor zur Hölle. Lasst uns an sie erinnern.
Der Verein setzt sich mit dem Gedenkort und der künftigen Gedenkstätte für ein respektvolles Miteinander, für eine lebendige Erinnerungskultur in unserer Stadt und für ein würdiges Gedenken ein.

Vorstände Jürgen Renz und Volkmar Zschocke bei der Kranzniederlegung
Gedenkort

An diesem geschichtsträchtigen Tag wollen wir auch auf die besondere Bedeutung des Kaßberg-Gefängnisses in der DDR aufmerksam machen. Als größte der insgesamt 17 Untersuchungshaftanstalten der ostdeutschen Geheimpolizei kam dem Gefängnis in Karl-Marx-Stadt seit Mitte der 1960er Jahre eine besondere Funktion als zentrale Durchgangsstation im Rahmen des deutsch-deutschen Häftlingsfreikaufes zu. Von hier aus gelangten etwa 33.000 Menschen in die Bundesrepublik.

Für viele von ihnen symbolisiert das Kaßberg-Gefängnis deshalb das „Tor zur Freiheit“. Auch wenn auf diesem in Deutschland und in Europa einmaligen Vorgang der Schwerpunkt der zukünftigen Dauerausstellung der Gedenkstätte liegt, werden gleichwohl die anderen Perioden in der Geschichte des Haftortes Kaßberg betrachtet. Der Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. setz sich dafür ein, in würdiger Weise am historisch authentischen Ort an das Leid all jener zu erinnern, denen auf dem Kaßberg unter den nationalsozialistischen Gewaltherrschern sowie in den Jahren der kommunistischen Diktatur größtes Unrecht widerfahren ist. Liebe Leserinnen und Leser lassen Sie uns gemeinsam die Demokratie gegen ihre Gegner verteidigen und die kulturelle Vielfalt und das solidarische Miteinander bewahren. An dieser Stelle wollen wir auf den Text „1989“ von Veronica Scholz (Instagram: @poesiematrose) verweisen:

1989

1.400 km Länge.
55.000 Selbstschussanlagen.
327 Tote – mindestens.

An der Grenze,
die teilend durch Deutschland geht.
Als Mauer starr inmitten der Hauptstadt steht,
sich durch Köpfe und Herzen zieht,
als ´89 Undenkbares geschieht.

Sie fällt, sie bröckelt,
wird abgeschlagen und zerstückelt.
Jedes berstende Stück,
bringt Stück für Stück,
die Freiheit zurück.

Die Symphonie der Straße erzwingt,
was unüberhörbar,
als Wille der Bürger erklingt.

Die Arrangeure der Weltpolitik,
zücken an diesem Tag den Taktstock
der Friedensmusik.

Statt Schüsse, fallen Schlagbäume,
Statt Panzer, rollen Trabbis.
Wahrgewordene Tagträume:
Zwei-Takter bezwingen den deutsch-deutschen Riss.

Jubelnde Menschen,
die auf der Mauer stehen.
Alle anderen,
die fassungslos im Fernsehen sehen.

Als am 9. November `89
Geschichte geschrieben wurd‘,
weil sich Ost und West,
nach 40 Jahren Stacheldraht
an diesem Abend,
in den Armen lag.

Bilder die berühren
und immer wieder animieren.
Zur Demokratie, in Einigkeit,
mit Recht und Freiheit.
In Deutschland und Europaweit.

Text: Veronica Scholz
Alle Rechte bei der Autorin
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