Nachruf auf Harald Möller

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(c) Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Am vergangenen Mittwoch, den 4.12.2019, verstarb Harald Möller, der langjährige Vorsitzende des Bautzen-Komitees, im Alter von 91 Jahren. Harald Möller setzte sich die letzten 60 Jahre dafür ein, an SED-Unrecht zu erinnern, „aus Dankbarkeit gegenüber Altbundeskanzler Adenauer, der 1955 u. a. die Senkung der Strafmaße für politische Häftlinge in der DDR erwirkt hatte.“ Harald Möller war einer von ihnen. Die Sowjets hatten den gebürtigen Thüringer 1948 wegen angeblicher Spionage zu zweimal 25 Jahre Haft verurteilt. Es hatte gereicht, dass der Jugendliche, der unmittelbar an der Zonengrenze lebte, Freunde im Westen besuchte, dorthin zum Tanz ging, Zeitungen mit in den Osten brachte und Briefe zu Verwandten mit in den Westen nahm.
Harald Möller kam ins „Gelbe Elend“ nach Bautzen, wo er unter unvorstellbaren Bedingungen dahinvegetierte und dem Tod von der Schippe sprang. An offener Tbc erkrankt, lag er in einer Baracke der Totgeweihten, sich selbst überlassen, weil die Russen Angst hatten sich anzustecken. Dort erlebte er auch den Hungerstreik und den Häftlingsaufstand im März 1950. Es war die Solidarität, die ihn überleben ließ, die Ärzte unter den Gefangenen, die mit primitivsten Mitteln
halfen. Nach acht Jahren kam die Entlassung, doch auch der Neuanfang in Westdeutschland war steinig. Wegen der Haftjahre wurde er nicht zum Studium zugelassen, die Verwaltungen halfen mäßig. Schließlich schaffte er den Besuch einer Höheren Handelsschule und schlug eine Beamtenlaufbahn ein. Oft waren es alte Haftbekanntschaften, die ihm halfen, Fuß zu fassen. Auch deshalb war es ihm wichtig, gerade in der alten Bundesrepublik an das erlittene Unrecht zu erinnern und eine öffentliche Würdigung der Opfer anzumahnen.
Den Mauerfall empfand er als Geschenk der Geschichte, das ihm ermöglichte, in seine Heimat und an den Ort seines Leids zurückzukehren. Harald Möller engagierte sich für die Gedenkstätte Bautzen und für die Gedenkkapelle auf dem Karnickelberg. Lange Jahre war er Vorsitzender des Bautzen-Komitees, seit 2016 sein Ehrenvorsitzender. Er vertrat die Belange der Opfer immer aufrichtig und würdig, egal ob in der Gremienarbeit oder bei öffentlichen Auftritten. Viele schätzten seinen klaren Blick und seine freundlich kommunikative Art. Harald Möller fand immer die richtigen Worte – das Unrecht klar benennend, aber nie in Verbitterung und Hass endend. Wichtig war ihm, die „ahnungslose Jugend“ aufzuklären und die nachwachsenden Generationen an das Unrecht zu erinnern, um ihnen „solche schrecklichen Zeiten einer unmenschlichen Diktatur“ zu ersparen. Mit über 80 Jahren betreute er noch eine Facharbeit einer Schülerin und stand bis zuletzt als Zeitzeuge zur Verfügung. Aber auch der Kontakt zu ehemaligen Haftkameraden lag ihm am Herzen. Er spendete den Entmutigten Trost, gab Tipps und hatte immer ein offenes Ohr.
Mit Harald Möller geht ein Grandseigneur der alten Kameraden. Die kritische DDR-Aufarbeitung verliert eine wichtige Stimme. Harald Möller war Wegbereiter, Mahner und Mitstreiter, der Bedeutendes geleistet hat. Er wird uns fehlen.

Quelle: Pressemitteilung 24 / 2019 des Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur; Autorin: Dr. Nancy Aris


Die Haftgeschichte von Harald Möller ist auch in Aris, Nancy: Das lässt einen nicht mehr los. Opfer politischer Gewalt erinnern sich, Leipzig 2017, S. 136-147 nachzulesen. Den Text finden sie auch hier.

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