„Stasiknast und Ostseeflucht“: Blues, Rock und DDR-Geschichte im Lernort

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Rund 60 Besucherinnen und Besucher waren am Donnerstagabend in unseren Lernort im früheren Hafttrakt B gekommen. Gemeinsam mit der Volkshochschule Chemnitz und dem Institut für Politikwissenschaft der TU Chemnitz hatte unser Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis unter dem Titel „Stasiknast und Ostseeflucht“ zu Gespräch und Musik eingeladen. Im Mittelpunkt standen drei Musiker und ihre Lebenswege in beziehungsweise aus der DDR: Dietrich Kessler, Bandleader der Klosterbrüder und Kaßberg-Zeitzeuge, der ebenfalls angekündigte Eberhard Klunker, der kurzfristig verhindert, dessen Biografie auf der Bühne aber dennoch präsent war, und der für ihn musikalisch eingesprungene Bernd Dünnebeil, 1978 bis 1980 Gitarrist bei der Band „Karussell“ und später „Gong“.

Während Eberhard Klunker, wie Moderator Hartmut Rüffert berichtete, 1975 gemeinsam mit einem Freund eine gefährliche Flucht geglückt war – im beengten Schlauchboot stundenlang über die Ostsee -, hatten Dietrich Kessler (zusammen mit der gesamten Band) und Bernd Dünnebeil Ausreiseanträge gestellt. Dünnebeil, mit Gerulf Pannach und Christian „Kuno“ Kunert befreundet, bekam, so formulierte er, ein „halbes Auftrittsverbot“ und tauchte anschließend als „versteckter Musiker“ in sogenannten Programmbegleitungsbands ab. Kessler und seine Familie setzte die Staatssicherheit mit „Gesprächen“ und „Zuführungen“ unter Druck, bis sie den Musiker im Juni 1983 wegen angeblicher „landesverräterischer Agententätigkeit“ inhaftierte.

Insgesamt 16 Monate Gefängnis – erst in der MfS-Untersuchungshaftanstalt in Magdeburg, später im Männerzuchthaus Cottbus – folgten. Im September 1984 wurde Dietrich Kessler schließlich über den Kaßberg freigekauft. „In einer anderen Situation des Klassenkampfes“, so habe ihm ein Vernehmer gesagt, „da hätte man Sie an die Wand gestellt.“

Zu den Erinnerungen erklangen im einstigen Abschiebetrakt in Chemnitz Blues- und Rocksongs, von „Key to the Highway“ bis „Was wird morgen sein“ (1979), von Hartmut Rüffert (Gesang), Bernd Dünnebeil auf der Akustikgitarre und Dietrich Kessler an Querflöte beziehungsweise Saxofon dargeboten.

Unsere Bilder, fotografiert von Kateryna Vdovchenko und Robert Schröpfer, zeigen Dietrich Kessler, Hartmut Rüffert und Bernd Dünnebeil (v.l.) auf der Bühne im Lernort im früheren Hafttrakt B sowie einen Blick auf den CD- und Büchertisch.

Die Veranstaltung wurde unterstützt von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten sowie der Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. Wir danken außerdem unseren freiwilligen Helferinnen und Helfern sowie TD Media Chemnitz für den technischen Support.


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