Stimmen aus Hoheneck: Konzertabend über das DDR-Frauengefängnis im Lernort zu Gast

Ein besonderes Projekt war vergangenen Freitag in unserem Lern- und Gedenkort zu Gast. Vor rund 40 Besucherinnen und Besuchern führten die Ensembles Schatz&Schande und Neue Kammer Leipzig eine halbszenische Variante ihres performativen Konzerts „,Ich bin mir selber fremd geworden‘ – Stimmen aus dem Frauenzuchtshaus Hoheneck“ auf. Der Komponist Philipp Rücker hatte dafür im vergangenen Jahr Gedichte früherer politischer Haftinsassinnen vertont, deren Verfasserinnen in dem berüchtigten DDR-Frauengefängnis unweit von Chemnitz unwürdigen Haftbedingungen, zermürbender Akkordarbeit und Schikanen ausgesetzt waren und damit gebrochen werden sollten. Es sind poetische Texte, aus denen die Bedrückung des Haftortes, Verzweiflung und Selbstentfremdung sprechen, aber auch Selbstbehauptung und eine große Zartheit und die Philipp Rücker in minimalistische Musik mit Anleihen bei klassischen Formen wie Kunstlied oder Choral übertragen hat.

„So seh‘ ich nackt, zerrissen meine Seele […]
Ich möchte schreien und muss schweigen.“
Traute Mühlthaler, Die Gedanken

Im Lernort im früheren Hafttrakt B wird daraus ein berührender, atmosphärisch dichter Abend an einem mit Hoheneck eng verbundenen Ort. Zwischen Freitreppe und Gefängniszellen in der einstigen Hafthalle schaffen sparsames Bühnenbild und Licht Räume der Beklemmung. Gitterstäbe werfen Schatten. Nähmaschinen und bauschende Stoffbahnen weisen auf die Schichtarbeit für die Textilindustrie im DDR-Frauenzuchthaus. Die Sängerinnen und Sänger, Streicherinnen und Streicher in blauen Arbeitsoveralls zeigen Gruppenbilder und Vereinzelung. Nähmaschinen-Geräusch trifft auf Violinen, Bratsche, Cello und Kontrabass, Chöre auf Soli, lautmalerische Sprechoper auf ein Wiegenlied, Minimal Music auf englische Madrigale, die die Themen dieses Abends gleichsam transzendieren.

Im Anschluss berichtete unsere Zeitzeugin Elke Schlegel im Gespräch mit Ariane Zabel von ihren Hafterfahrungen in Hoheneck und auf dem Kaßberg. Auch viele Zeitzeuginnen des Kaßberg-Gefängnisses waren in Hoheneck eingesperrt – entweder nach der Untersuchungshaft des sowjetischen NKWD/MGB und später der Staatssicherheit, oder bevor sie wie Elke Schlegel im Rahmen des Häftlingsfreikaufs aus der DDR über den Kaßberg in den Westen entlassen wurden.

Unsere Bilder, fotografiert von Kateryna Vdovchenko, zeigen Eindrücke aus der Aufführung, Elke Schlegel im Gespräch mit Ariane Zabel und das Ensemble beim Schlussapplaus.

Die Produktion wurde unterstützt von der Karin und Uwe Hollweg Stiftung, der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, der Bundesstiftung Aufarbeitung, dem Kulturamt der Stadt Leipzig sowie der Förderrichtlinie „Sehnsucht Freiheit“ der Sächsischen Staatskanzlei und mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

Das Gastspiel wurde ermöglicht von der Bundesstiftung Aufarbeitung.

Wir danken allen Mitwirkenden und unseren Freiwilligen, die uns an diesem Abend unterstützt haben.

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