Besuch von Angehörigen einer Haftinsassin des Kaßberg-Gefängnisses in der NS-Zeit hatte heute unser Lern- und Gedenkort. Anita Polom und Sandra Polom, Tochter beziehungsweise Enkeltochter von Genowefa Banasiak, waren nach Chemnitz gekommen, um den biografischen Ausstellungsbereich ihrer Mutter und Großmutter in unserem Lernort im früheren Hafttrakt B zu besichtigen. Für Anita Polom war es der erste Besuch an diesem früheren Leidensort ihrer Mutter und in unserer Dauerausstellung. Sandra Polom hatte im Oktober vergangenen Jahres an der Eröffnung unseres Lernorts teilgenommen und ein Grußwort gehalten. Sie hatte die Schicksale ihrer Großeltern im Zweiten Weltkrieg intensiv zu recherchieren begonnen, nachdem die Familie 2017 einen Ring und ein Paar Ohrringe zurückerstattet bekommen hatte, die der Großmutter in der Haft entzogen worden waren.
Genowefa Banasiak (1909-1999) war im April 1942 aus Łódź im besetzten Polen nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt worden. Gemeinsam mit anderen Zwangsarbeiterinnen musste sie in einer Strumpffabrik in Geyer im Erzgebirge unter anderem Textilbeutel mit Treibladungspulver für Flak-Geschütze befüllen. Nach einem Fabrikbrand im Februar 1943 wurde sie der Sabotage beschuldigt und auf dem Kaßberg eingesperrt. Sie berichtete von Gestapo-Verhören unter Todesdrohungen. Im Juli 1943 wurde Genowefa Banasiak trotz fehlender Beweise ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, im Juni 1944 von dort in das KZ-Außenlager Wandsbek. Gegen Kriegsende gelangte sie mit einem Rotkreuz-Transport nach Malmö. Sie blieb in Schweden und heiratete den ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter Jakub Chabinski. Tochter Anita Polom und Enkeltochter Sandra Polom wurden in Schweden geboren. Anita Polom lebt in Schweden, ihre Tochter in Deutschland.
Unsere Fotos zeigen oben Anita Polom und Sandra Polom im biografischen Ausstellungsbereich von Genowefa Banasiak, außerdem unten die 2017 restituierten Schmuckstücke, die für Sandra Polom den Anstoß für ihre Recherchen zur Familiengeschichte gaben, und Anita Polom mit der Reproduktion eines Schreibhefts in unserer Ausstellung, in dem ihre Mutter in Schweden ihre Erinnerungen festhielt.