
Mitglieder der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) Magdeburg, darunter Zeitzeuginnen und Zeitzeugen des Kaßberg-Gefängnisses, waren heute in unserem Lern- und Gedenkort zu Gast. In einer kurzen Einführung informierte unsere wissenschaftliche Leiterin Dr. Steffi Lehmann die 50-köpfige Besuchergruppe über Entstehen, Konzeption und Arbeit unserer Gedenkstätte. Zur Begrüßung waren in der früheren Hafthalle, von einem Streichtrio ehemaliger Mozartkinder der Sächsischen Mozart-Gesellschaft dargeboten, „Die Gedanken sind frei“ und die Europahymne erklungen. Im Zentrum des Besuchs stand ein Bericht von Wolfgang Bischoff, dessen Familiengeschichte auf einschneidende Weise mit dem Kaßberg-Gefängnis verbunden ist.
Sein Vater Ernst Bischoff, geboren 1906 in Magdeburg, war als Schlosser im Uranbergbau der SAG Wismut in Oberschlema (Erzgebirge) beschäftigt. Im Januar 1951 wurde er in Magdeburg, wo sich die Wohnung der Familie befand, wegen angeblicher Spionage festgenommen und nach Chemnitz ins Kaßberg-Gefängnis gebracht. Ende Mai 1951 verurteilte das Sowjetische Militärtribunal Nr. 48240 Ernst Bischoff zum Tode durch Erschießen. Ein Gnadengesuch wurde abgelehnt. Das Todesurteil wurde am 24. Juli 1951 in Moskau vollstreckt. Die Angehörigen wurden über das Schicksal Ernst Bischoffs jahrzehntelang im Unklaren gelassen. Erst 1995 wurde er von russischen Behörden rehabiliert.
Auch der Sohn, Wolfgang Bischoff, Jahrgang 1945, geriet in Konflikt mit dem kommunistischen Regime. Im Januar 1977 wurde er von der DDR-Staatssicherheit in Magdeburg verhaftet, nachdem seine Familie einen Ausreiseantrag in die Bundesrepublik gestellt und im Westen die Frankfurter Rundschau über seinen Fall berichtet hatte. Wolfgang Bischoff wurde in der MfS-Untersuchungshaftanstalt am Moritzplatz inhaftiert und im August 1977 wegen angeblicher „staatsfeindlicher Hetze“ zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Zum Strafvollzug wurde er nach Cottbus gebracht und am 31. Mai 1978 im Rahmen des Häftlingsfreikaufs aus der DDR über den Kaßberg in die Bundesrepublik entlassen. Frau und Tochter kamen ein Vierteljahr später nach.
Der Tag der Haftentlassung Wolfgang Bischoffs aus dem Kaßberg-Gefängnis war, wie er später erfuhr, der Jahrestag der Verurteilung seines Vaters auf dem Kaßberg. Der Todestag des Vaters war der sechste Geburtstag von Wolfgang Bischoff und der achte Hochzeitstag der Eltern.
Unsere Bilder, fotografiert von Robert Schröpfer, zeigen oben Dr. Steffi Lehmann mit den Besucherinnen und Besuchern bei der Einführung, außerdem unten Ursula und Wolfgang Bischoff in der früheren Hafthalle, Wolfgang Bischoff im Gespräch mit den Musikern, Dr. Steffi Lehmann beim Handschlag mit dem Vorsitzenden der VOS Sachsen-Anhalt, Carl-Gerhard Winter, und das Streichtrio bei seiner Aufführung.
Wir danken Clementine Klotz (Violine), Janosch Leischnig (Violine) und Marie Patschisnky (Cello) für ihre musikalischen Darbietungen und der Sächsischen Mozart-Gesellschaft für die freundliche Vermittlung.





