Vor wenigen Wochen hatte der Zeitzeuge André Fischer das ehemalige Kaßberg-Gefängnis besucht und unserem Verein Dokumente und Fotos zur Verfügung gestellt. Ab heute finden Sie seine Geschichte, protokolliert von unserem Mitarbeiter Robert Schröpfer, im Zeitzeugenbereich auf der Website unseres Vereins. André Fischer, geboren 1962 in Penig (heute Landkreis Mittelsachsen) und aufgewachsen im damaligen Karl-Marx-Stadt, war von Oktober 1987 bis August 1988 im Kaßberg-Gefängnis eingesperrt, zunächst als Untersuchungshäftling, nach seiner Verurteilung wegen sogenannter „Vorbereitung zum ungesetzlichen Grenzübertritt in schwerem Fall“ dann als Gefangener im Männer-Arbeitskommando, bevor er als Freikaufhäftling in den Westen entlassen wurde.
Im Männer-Arbeitskommando war er als Tischler tätig, musste Hängeschränke für Zellen sowie Ausstattungsgegenstände für andere Räume anfertigen. Seine Fluchtvorbereitungen aus der DDR sind bemerkenswert: Auf Wochenendausflügen erkundete der damals 24-Jährige Grenzanlagen in der Altmark, im Harz und in Thüringen und ließ unter dem Vorwand, klettern gehen zu wollen, einen Dreizack-Wurfanker und andere Utensilien anfertigen. Ein Nachbar entdeckte die auf dem Dachboden versteckten Geräte jedoch und denunzierte André Fischer bei der Staatssicherheit.
„Wenige Tage bevor er nahe Saalfeld (Thüringen) seinen Grenzübertritt geplant hatte, wurde André Fischer auf dem Weg zur Arbeit verhaftet und ins Kaßberg-Gefängnis gebracht. Er berichtet von drei Monaten Einzelhaft, Schlafentzug, nachts Neonlicht, Drohungen und der Angst, niemals wieder herauszukommen. 23 Uhr, 2 Uhr, 5 Uhr, manchmal auch am Tag wurde er zu den Vernehmungen geholt. ,Sie sind doch Raucher, möchten Sie eine Zigarette?‘, ,Wir treiben dich in eine Sackgasse und stellen am Eingang unsere Geschütze auf‘ oder ,Wir können Ihnen von hinten durch die Brust ins linke Auge schießen‘ – solche Sätze bekam er zu hören. Einmal machte ihm ein Vernehmer ein bitteres Kompliment: Mit seiner akkuraten Vorbereitung hätte er den Grenzdurchbruch geschafft. ,Zum Glück sind wir Ihnen zuvorgekommen.‘“
Unsere Fotos zeigen André Fischer bei einem Besuch am Gedenkort in der Kaßbergstraße und 1985 am Ende seiner Armeezeit sowie einen Auszug aus dem sogenannten Bildbericht der Stasi mit Fotos seiner Fluchtutensilien. Zum Beitrag über André Fischer im Zeitzeugen-Bereich gelangen Sie, wenn Sie hier klicken.