Zeitzeuge im Interview

Während im früheren Hafttrakt B des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses die Umbauarbeiten für den zukünftigen Lern- und Gedenkort im Gange sind, laufen parallel die Vorbereitungen für die dort geplante Dauerausstellung. So führt unser Projektpartner beier+wellach projekte gegenwärtig weitere Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen des Kaßberg-Gefängnisses, zunächst mit solchen aus dem Großraum Berlin. Später sollen Gespräche mit früheren politischen Gefangenen in anderen Regionen folgen. Kürzlich schilderte unter anderem Rainer Scheck seine Erlebnisse vor der Kamera.

Rainer Scheck war im Spätsommer 1979 im Alter von 23 Jahren auf dem Weg in den Ungarnurlaub aus dem Zug heraus verhaftet worden. „Wir haben schon auf Sie gewartet.“ Mit diesen Worten begrüßte ihn ein Vernehmer auf dem Kaßberg in der Stasi-Untersuchungshaft. Gemeinsam mit anderen jungen Leuten hatte der Elektromonteur aus Aue im Erzgebirge Texte von Künstlern und Schriftstellern wie Wolf Biermann, Robert Havemann und Reiner Kunze abgetippt und weitergegeben. Wegen „staatsfeindlicher Hetze“ verurteilte ihn ein Gericht zu drei Jahren Haft. Zum Strafvollzug war er in Cottbus eingesperrt, bis er Anfang 1981 als Freikaufhäftling zurück auf den Kaßberg kam. Ein Cousin im Westen hatte gemeinsam mit Amnesty International auf seine Freilassung gedrängt und das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen über seinen Fall informiert. Die Besonderheit: Rainer Scheck hatte keinen Ausreiseantrag gestellt. Er wollte in den Osten zurück entlassen werden. Die DDR, so seine Absicht, sollte kein Geld für ihn erhalten.

Die Geschichte von Rainer Scheck ist eine der Zeitzeugen-Biografien, die ab Herbst in der Dauerausstellung des Lern- und Gedenkorts Kaßberg-Gefängnis erzählt werden sollen. Unser Foto, gemacht von Florian Manthey, zeigt ihn beim Drehtermin in Berlin mit Interviewer Ingo Rudloff von Irrlicht-Film.

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