13 Polizeischülerinnen und -schüler der Polizeifachschule Chemnitz und zwei Fachlehrbetreuer waren heute in unserem Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis zu Gast. Im Rahmen einer gemeinsamen Bildungsveranstaltung mit dem Bundesarchiv – Stasi-Unterlagen-Archiv (StUA) Chemnitz informierten sich die jungen Leute in einer Führung mit unserer wissenschaftlichen Leiterin Dr. Steffi Lehmann über die doppelte Diktaturgeschichte des einstigen politischen Haftorts, den Häftlingsfreikauf aus der DDR und die Gedenkstättenkonzeption. Im Anschluss referierte StUA-Mitarbeiterin Sandra Meier über Methoden der Staatssicherheit. Besonderes Angebot war ein Zeitzeugengespräch mit Olaf Nils Seeberg, der in den 1980er-Jahren auf dem Kaßberg aus politischen Gründen sowohl in Untersuchungshaft als auch als Freikaufhäftling eingesperrt war.
Der damalige Instandhaltungsmechaniker in der Textilindustrie, 1965 in Annaberg-Buchholz (Erzgebirge) geboren, hatte im April 1984 einen Ausreiseantrag aus der DDR gestellt. In Briefen bat er seine in Köln lebende Großmutter, Kontakt zu Rechtsanwälten aufzunehmen. Außerdem rief er die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin an, deren Telefonnummer im ZDF-Magazin genannt worden war. Im Oktober 1984 wurde Olaf Nils Seeberg von der Staatssicherheit festgenommen und im Januar 1985 wegen sogenannter „ungesetzlicher Verbindungsaufnahme“ im wiederholten Fall vom Kreisgericht Karl-Marx-Stadt-Nord zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Zum Strafvollzug wurde er in die Reichenhainer Straße gebracht. Im August 1985 wurde der 20-Jährige im Rahmen des Häftlingsfreikaufs über den Kaßberg in die Bundesrepublik entlassen.
Unsere Bilder, fotografiert von Robert Schröpfer, zeigen Olaf Nils Seeberg und Dr. Steffi Lehmann im Gespräch mit den Polizeischülerinnen und -schülern, außerdem Sandra Meier bei ihrem Vortrag und Dr. Steffi Lehmann bei der Führung.
Das Zeitzeugengespräch wurde mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes. Wir danken den Fachlehrbetreuern Dirk Hofmann und Falk Beyer sowie dem Bundesarchiv – Stasi-Unterlagen-Archiv Chemnitz für die freundliche Zusammenarbeit.