
Rund 50 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 10 des Chemnitzer Schulmodells waren heute in unserem Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis zu Gast. Im Rahmen eines Projekts zu Stolpersteinen im Chemnitzer Stadtgebiet und Biografien von Verfolgten in der Zeit des Nationalsozialismus informierten sich die jungen Leute nach einer Einführung mit unserem wissenschaftlichen Mitarbeiter Robert Schröpfer in unserer Dauerausstellung über Haftschicksale in der Zeit von 1933 bis 1945. Im Zentrum stand ein Gespräch mit Nirit Sommerfeld über ihren Großvater Julius Sommerfeld, der als Jude von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurde, und die Geschichte ihrer Familie.
Julius Sommerfeld, geboren 1887 im westpreußischen Krojanke/Flatow (heute Krajenka/Złotów), hatte sich nach einer Station in Berlin im Jahr 1911 in Chemnitz niedergelassen, wie Nirit Sommerfeld berichtete. Er baute ein Geschäft als Tuchhändler auf, heiratete und gründete eine Familie. Im Ersten Weltkrieg war er Frontsoldat und erhielt das Eiserne Kreuz. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 war er zunehmender Entrechtung und als Kaufmann Boykottaufrufen ausgesetzt. 1937 gelang es ihm, seinen Sohn Rolf Sommerfeld, den Vater von Nirit Sommerfeld, in Palästina und weitere Familienangehörige in Sicherheit zu bringen. Er selbst kehrte nach Deutschland und Chemnitz zurück, wo er im November 1939 verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt wurde. Dort wurde Julius Sommerfeld im März 1940 ermordet. Er wurde 62 Jahre alt.
Welche Haftorte bei seiner Verschleppung in Chemnitz möglicherweise eine Rolle spielten, ist nicht bekannt. Am früheren Standort des Wohn- und Geschäftshauses seiner Familie am damaligen Antonplatz (heute Käthe-Kollwitz-Straße/Fußweg Richtung Brückenstraße) erinnert seit 2013 ein Stolperstein an Julius Sommerfeld. Unter dem Titel „Sommerfeld. Litten. X.“ plant seine Enkelin Nirit Sommerfeld ein Erinnerungsprojekt. Im Sächsischen Museum für Archäologie Chemnitz (smac) betreibt sie seit kurzem das Café Julius, dessen Name an ihren Großvater erinnert.
Unsere Fotos zeigen Nirit Sommerfeld im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern vor unserem Ausstellungsbereich über Haftschicksale in der Zeit des Nationalsozialismus im dritten Obergeschoss unseres Lernorts, außerdem unten Schülerinnen und Schüler bei der Recherche in den biografischen Ausstellungsbereichen von Max Brudner und Ernst Sander.
Wir danken Nirit Sommerfeld sowie den Schülerinnen und Schülern für ihren Besuch und zudem Florian Haase und Marco Puschmann vom Chemnitzer Schulmodell für die freundliche Zusammenarbeit.

