Zeitzeugin mit Gästen aus Bayern im Gespräch

Zum zweiten Mal in dieser Woche war heute Mittag Petra Weise in unserem Lern- und Gedenkort zu Gast. Die Zeitzeugin war für ein Gespräch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer Bildungsreise des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften auf den Kaßberg gekommen. In einem Rundgang gab unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Robert Schröpfer einen Überblick über die doppelte Diktaturgeschichte des einstigen politischen Haftorts, den Häftlingsfreikauf aus der DDR und die Gedenkstättenkonzeption. Im Anschluss berichtete Petra Weise von ihrem missglückten Fluchtversuch im Jahr 1980, der darauffolgenden Haft und ihrer Entlassung im Rahmen des Gefangenenfreikaufs über den Kaßberg in die Bundesrepublik.

Die Bibliothekarin aus Freiberg/Sachsen war durch eine lebensbedrohliche seltene Erkrankung ihrer damals dreijährigen Tochter in Konflikt mit dem Regime geraten. Weil sie und ihr Mann keinen „bevölkerungsbedarfsgerechten Beruf“ ausübten, rangierte das Kind weit unten auf der Warteliste für die überlebensnotwendigen Medikamente. Auch ein Umzug nach Ost-Berlin und damit in den Einzugsbereich der dortigen Krankenhäuser brachte keine Lösung. Das Ehepaar mit seinen zwei Kindern entschloss sich deshalb, unterstützt von einem Bruder Petra Weises, zur Flucht über Bulgarien, um die Tochter im Westen behandeln lassen zu können. Beim Fluchtversuch im Juli 1980 wurde die Familie an der Grenze zu Jugoslawien aufgegriffen. Petra Weise kam in die Stasi-Untersuchungshaftanstalt in Berlin-Pankow und wurde im Oktober 1980 zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsentzug verurteilt.

Petra Weise war acht Monate lang im berüchtigten Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg/Erzgebirge eingesperrt. Ehemann und Bruder erhielten höhere Haftstrafen und wurden ins Zuchthaus Brandenburg gebracht. Im Juli 1981 wurde das Ehepaar freigekauft und über den Kaßberg in die Bundesrepublik entlassen, kurz darauf auch der Bruder. Die beiden Kinder, um die sich die Großeltern gekümmert hatten, durften acht Monate später nachkommen. Die Erkrankung der Tochter wurde im Westen erfolgreich behandelt. Das Kind wurde geheilt.

Unsere Bilder, fotografiert von Robert Schröpfer, zeigen Petra Weise beim Zeitzeuginnengespräch in unserem Seminarraum und die Besuchergruppe im Lernort im früheren Hafftrakt B.

Das Zeitzeuginnengespräch wurde mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes. Wir danken außerdem Hartmut Rosert und den Kreisverbänden Roth und Schwabach des BLLV für die freundliche Zusammenarbeit.

Link teilen