Alexander Heise wird 1968 in Treffurt bei Eisenach nahe der innerdeutschen Grenze geboren.

Welchen Bezug hat der Zeitzeuge zum Kaßberg-Gefängnis?

Im März 1987 wird er vom Strafvollzug auf der Reichenhainer Straße im damaligen Karl-Marx-Stadt ins Kaßberg-Gefängnis verlegt. Zwei Wochen später verlässt er den Gefängnishof mit weiteren Freikaufhäftlingen in einem Bus in Richtung Bundesrepublik.

Kurzbiografie

Alexander Heise wächst behütet mit zwei Geschwistern und seinen Eltern in Westthüringen auf. Er kommt aus einer selbstständigen Handwerkerfamilie in der Elektrobranche, was in der DDR die Ausnahme stellt, da sich alle Betriebe in staatlicher Hand befinden und Privatunternehmer immer wieder Probleme bekommen. Er besucht die Schule, macht seinen Abschluss und beginnt eine Ausbildung zum Schlosser. Da er mit den Verhältnissen in der DDR zunehmend unzufrieden ist und für sich irgendwann keine Perspektiven mehr sieht – sein Berufswunsch Geologe bliebt ebenso unerreichbar wie das Reisen in fremde Länder –, beschließt er zu fliehen.

Nur engste Freunde erfahren von seinem Vorhaben. Am 28. August 1986 fährt er in Ungarn mit einem gewöhnlichen Linienbus vom Balaton nach Sopron. Dort schleicht er sich in einem Waldstück in Richtung Grenze. Er überwindet zwei Signaldrähte und läuft weiter, bis plötzlich ein Grenzposten vor ihm steht. Der 18-Jährige Alexander Heise wird verhaftet und weggebracht.

Über die Gefängnisse in Györ und Budapest erreicht er in einem Flugzeug nach drei Wochen ostdeutschen Boden. Im September 1986 befindet er sich in der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit in Erfurt. Die Verurteilung durch das Kreisgericht Eisenach erfolgt im Dezember 1986 wegen „versuchter Republikflucht“. Von Januar bis März 1987 ist er im Strafvollzug auf der Reichenhainer Straße im damaligen Karl-Marx-Stadt. Dort arbeitet er unter vielen Kriminellen im Arbeitsbereich MZ Zschopau.

In der Zwischenzeit versuchen seine Eltern alles, um ihm aus dem Gefängnis zu holen. Seine Mutter geht selbst das Risiko einer Strafverfolgung wegen „illegaler Verbindungsaufnahme“ ein, indem sie über frühere Arbeitskontakte, den westdeutschen Staatssekretär Dr. Ludwig Rehlinger auf das Schicksal ihres Sohnes aufmerksam macht. Tatsächlich wird Alexander Heise im März 1987 ins Kaßberg-Gefängnis verlegt.

Diese zwei Wochen im Ungewissen waren für ihn das Schlimmste, sagt Alexander Heise rückblickend. Er teilt sich die enge Zelle mit drei anderen Männern, es gibt kaum Möglichkeiten sich zu bewegen oder frische Luft zu atmen. Erst zwei Tage vor seinem Freikauf endet die Ungewissheit. Der Notar regelt mit ihm alle offenen Vermögensstände wie den Trabant, den er auf seine Eltern überträgt, und Alexander Heise kauft im „Shop“ noch Zigaretten, um diese später einzutauschen. Am 8. April 1987 steigt er auf dem Hof des Kaßberg-Gefängnisses in den Bus, der ihn endlich nach Westdeutschland bringt.

Alexander Heise ist frei und auf sich allein gestellt. Nach drei Wochen findet er Arbeit und lebt lange Zeit in Nordhessen. Heute ist Alexander Heise verheiratet und hat zwei Kinder. Im Jahr 1993 wird er zwar rehabilitiert, doch es werden fast 30 Jahre vergehen, bis er erstmals über seine Hafterfahrung spricht – im Rahmen einer vom Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. organisierten Bildungsveranstaltung mit Schülerinnen und Schülern.

Die Fotos zeigen Alexander Heise oben im Porträt, bei einem Urlaub vor seinem missglückten Fluchtversuch, seinen Entlassungsschein aus der Haft in der DDR sowie in Freiheit und unten im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern bei einem Workshop im Juni 2022 in Chemnitz. Quelle: Verein (1)/Fotoarchiv Alexander Heise (4) – mit freundlicher Genehmigung

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