Die NS-Epoche war auch eine Zeit religiöser Erweckung. Im protestantischen Milieu wurde die Zerschlagung der Weimarer „Gottlosenrepublik“ bejubelt und Hitler als Erlöser gefeiert. Umso größer war die Irritation in kirchlichen Kreisen, als im Frühjahr 1935 mehrere Geistliche im Konzentrationslager Sachsenburg inhaftiert wurden. Ihren Protest gegen die „Deutsche Glaubensbewegung“, eine gegen die Kirche gerichteten Splittergruppierung im völkisch-religiösen Spektrum, interpretierte der sächsische Gauleiter Martin Mutschmann als Widerstand gegen den Staat. Welche Gefahr von diesem vermeintlichen Widerstand ausginge, versuchte er durch eine antisemitische Verschwörungserzählung zu verdeutlichen: Der „Judenchrist“ Ernst Lewek sei der Drahtzieher hinter dem Protest gewesen.
Lewek, evangelischer Pfarrer an der Leipziger Nikolaikirche, galt nach den nationalsozialistischen Rassekriterien als Jude. Seine Haft in Sachsenburg ist im Kontext der „Arisierung“ der Kirche zu sehen, die nicht nur auf Druck von außen erfolgte. Auch Vertreter der Kirche beteiligten sich bereitwillig an der Beseitigung aller als jüdisch geltenden Einflüsse aus ihrem religiösen Leben. Zu ihnen zählte nicht zuletzt der Leiter des Eisenacher „Entjudungsinstituts“, Walter Grundmann. Der gebürtige Chemnitzer war ein einflussreicher Fürsprecher jener Kirchenpolitik, unter der Lewek zu leiden hatte. Der Historiker Oliver Arnhold vergleicht die Biografien beider Mitglieder der sächsischen Landeskirche und geht anhand ihrer gegensätzlichen Werdegänge der Durchsetzung antisemitischer Ideologien nach, die auch nach 1945 noch die Kirche prägten.
Der Eintritt ist frei, Anmeldungen per E-Mail an veranstaltungen@gedenkort-kassberg.de.
Eingeleitet wird der Vortrag von Felix Dümcke und Anna Schüller, den Herausgebern des Sammelbandes „Geistliche im Konzentrationslager Sachsenburg“, erschienen 2023 im Verlag Hentrich & Hentrich Leipzig.
Eine Kooperation mit der Geschichtswerkstatt Sachsenburg im Rahmen der Tage der jüdischen Kultur Chemnitz