Silvia Krause wurde im Jahr 1958 im thüringischen Greiz geboren.

Welchen Bezug hat die Zeitzeugin zum Kaßberg-Gefängnis?

Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland kaufte Silvia Krause im Mai 1989 über das Kaßberg-Gefängnis frei. Mitte der 1980er Jahre hatte die Physiotherapeutin einen „Antrag auf ständige Ausreise“ gestellt. Regelmäßig schrieb sie zudem Erklärungen, um die DDR doch mit ihrem Mann und der kleinen Tochter endlich auf „legalem“ Wege verlassen zu können. Sie wurde im Oktober 1988 verhaftet und anschließend verurteilt.

Kurzbiografie


Silvia Krause wollte sich mit ihrer kleinen Familie ein Leben in der Bundesrepublik Deutschland aufbauen, weshalb sie Mitte der 1980er Jahre einen „Antrag auf ständige Ausreise“ aus der DDR stellte. In den folgenden zwei Jahren verfasste sie mehrere Schreiben, in denen sie die ökonomischen Missstände und vor allem den politischen Umgang der SED mit der Bevölkerung in der DDR kritisierte. Nach der Verhaftung im Oktober 1988 folgte die Verurteilung wegen „öffentlicher Herabwürdigung“ und „illegaler Kontaktaufnahme zu bundesdeutschen Behörden“. Das Strafmaß betrug 22 Monate Freiheitsentzug. Silvia Krause kam in die Untersuchungshaftanstalt Gera und nach Dessau in den vormilitärischen Strafvollzug. Im Frühjahr 1989 erreichte sie das Kaßberg-Gefängnis für den deutsch-deutschen Häftlingsfreikauf.


Die folgenden zwei Beiträge stammen von ihr. Es sind Auszüge autobiografischer Texte. Die beiden Passagen beziehen sich auf den Moment der Verhaftung und auf den ersten Eindruck in der Untersuchungshaftanstalt Gera.

„Zur Klärung eines Sachverhalts“

Und ob sie das wussten! Dies und noch viel mehr, viel mehr als A. sich in ihren kühnsten Alpträumen vorstellen konnte! […] Sie beschäftigte die Frage, was man von ihr wollte und fast war sie geneigt, so zu tun, als sei sie nicht da, in der Hoffnung, die ungebetenen Gäste würden wieder verschwinden. Aber das taten sie nicht, und als ob man auf der anderen Seite der Tür ihre Gedanken gehört hätte, klopften sie nun auch noch gegen die Tür und machten sich verbal bemerkbar. Das war dann doch unangenehm bei dieser Hellhörigkeit im ganzen Haus! […] Denn einer der Männer stellte auch sogleich einen Fuß in die Tür, damit sie nicht aus Versehen wieder zugemacht werden konnte. Sie zeigten einen Dienstausweis und baten A., „zur Klärung eines Sachverhaltes“ mitzukommen. Verwirrt zeigte A. weder Begeisterung noch Einwilligung. Aber schon waren ohne Aufforderung eine Frau und drei Männer in den kleinen Flur spaziert und damit war er auch schon so überfüllt, dass man ins Wohnzimmer ausweichen musste. Neugierig und verständnislos ob der Störung ihrer Kuschelstunde mit Mama stand die 2-jährige L. in der Tür zum angrenzenden Schlafzimmer. Fragend wanderten ihre Blicke von ihrer Mama zu den Leuten und wieder zurück. Mittlerweile hatten sich die ungebetenen Gäste niedergelassen. Worum es ging, wollte man erst auf der Polizeidienststelle ausführlich darlegen. […] Vielleicht war ja alles nur ein Missverständnis oder vielleicht ging es jetzt nach fast zweijähriger Wartezeit endlich los? Im Dezember 1986 hatte man einen Antrag auf Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland gestellt. […] Die weibliche Person der ungebetenen Gäste begleitete A. ins Schlafzimmer, um aufzupassen, wie sich ankleidete.

„Entblößt und entehrt“

Die Beamtin schaute ungläubig. Mit Nachdruck wiederholte sie: „Ausziehen – Alles!“ A. hielt die Luft an und fragte ungläubig zur Vorsicht nochmal nach: „Die Unterwäsche auch?“ „Alles, hab ich doch gesagt!“, gab die kalte Schnauze mit gleichgültigem Blick zurück. Nackt wie Gott sie schuf, stand A. entehrt in der kalten Zelle. Aber es sollte gleich noch kälter werden, viel kälter. Die Uniformierte forderte A. auf, den langen Gang, auf dem der normale Gefängnisverkehr von männlichen Beamten von einer zur anderen Tür frequentierte, nackt und bloß entlang zu marschieren. Am Ende des Ganges, nachdem sie etliche Blicke auf ihrem Körper ertragen musste, war eine Art Nasszelle. Selbstverständlich war auch diese kalt, schließlich war schon Oktober. Die uniformierte Schachtel holte eine Tube und drückte den stinkenden Inhalt auf den Kopf von A. Sie schob A. unter eine Dusche mit der Aufforderung, sich gründlich zu waschen. Entblößt und entehrt und nun unter einer Dusche stehend…stiegen in ihr die Bilder der Judenverfolgung und „Behandlung“ in den KZ auf. Auf ihre Frage, wozu diese Schmiere auf den Haaren gut sei, bekam sie zur Antwort, „zur Entlausung!“ A. traute ihren Ohren nicht und fragte sich augenblicklich, ob nun aus dem mittelalterlichen Duschkopf Gas oder Wasser kommen würde. Gott sei Dank! Es kam Wasser und zwar eiskalt!

Heute lebt Silvia Krause wieder im thüringischen Greiz. Der Kontakt zwischen ihr und dem Verein entstand zum Bautzen-Forum im Frühjahr 2018. Daraufhin besichtigte sie im Juni 2018 und im Mai 2019 nach fast 30 Jahren das ehem. Kaßberg-Gefängnis.

Silvia Krause berichtete für einen Podcast des ZDF von ihrer persönlichen „Wende“ und auch die künftige Gedenkstätte Kaßberg-Gefängnis kommt darin vor.

Quelle: https://www.zdf.de/filme/das-kleine-fernsehspiel/meine-wende-podcast-folge-22-100.html

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