Blick auf die NS-Zeit

Besuch aus Leipzig hatte am Wochenende unser Gedenkort an der Außenmauer des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses. Eine Fußballmannschaft des Vereins Roter Stern Leipzig war nach einem Spieltermin in Chemnitz auf den Kaßberg gekommen, um sich im Gespräch mit unserem Vereinsmitglied Christian Lieberwirth, Historiker und Verfasser der Texttafeln am Gedenkort zur NS-Zeit, und unserem wissenschaftlichen Mitarbeiter Robert Schröpfer über die doppelte Diktaturgeschichte des einstigen politischen Haftorts und den künftigen Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis zu informieren. Besonderes Interesse der Gäste, die zuvor das ehemalige Konzentrationslager Sachsenburg bei Chemnitz besucht hatten, galt der Zeit des Nationalsozialismus und den Schicksalen, die mit dem damaligen Untersuchungs- und Strafgefängnis verbunden sind, etwa dem jüdischer Verfolgter, der sogenannten Hutholz-Opfer und dem von Bernhard Kuhnt.

Der Sozialdemokrat und Gewerkschafter Bernhard Kuhnt (1876–1946), seit 1924 Reichstagsabgeordneter des Wahlkreises Chemnitz-Zwickau, war vor 90 Jahren am 9. März 1933 kurz nach Erlass der Reichstagsbrandverordnung in sogenannte „Schutzhaft“ genommen, d.h. ohne richterlichen Beschluss festgenommen worden und anschließend im Kaßberg-Gefängnis inhaftiert. Bei der sogenannten „Chemnitzer Osterwäsche“ Mitte März 1933 wurde er von der SA in einem Kohlekarren öffentlich zur Schau gestellt und gemeinsam mit anderen Sozialdemokraten und Kommunisten gezwungen, in der Innenstadt Losungen und Plakate der zurückliegenden Reichstagswahl vom 5. März 1933 zu entfernen. Die demütigenden Szenen wurden auf Fotos festgehalten und als Postkarten verbreitet. Mitte Mai 1933 wurde Bernhard Kuhnt vom Kaßberg ins Konzentrationslager Colditz, im November 1933 ins Konzentrationslager Sachsenburg gebracht, wo er bis Ende Juli 1934 festgehalten wurde.

Unsere Bilder zeigen oben den Historiker Christian Lieberwirth, fotografiert von Robert Schröpfer, mit der Besuchergruppe am Gedenkort sowie unten einen Ausschnitt der Ausstellungstafel über Bernhard Kuhnt.

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