"Untergrund war Strategie": Multimediale Lesung und Gespräch mit Geralf Pochop über Punk in der DDR - Schrei nach Freiheit oder nur Kopie des Westens?

Wann

7. März 2024    
19:00 - 20:30

Wo

Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis
Kaßbergstr. 16 c, Chemnitz, 09112

Veranstaltungstyp

Wie reagierte die DDR-Gesellschaft auf bunte Außenseiter? Warum brachten abstehende Haare und zerrissene Klamotten die Stasi auf Hochtouren? Ging es hier um den Kampf zwischen Individuum und Kollektiv? Was ist davon heute noch geblieben?

Geralf Pochop geht der Geschichte der Punk-Bewegung in der DDR nach. Dazu spielt der Musiker Alüt auf der Gitarre bekannte Titel von DDR-Punkbands.

Geralf Pochop, geboren 1964 in Halle an der Saale, wird als 13-Jähriger Fan der Punk-Bewegung und damit zum Außenseiter. Die Musik und die Punk-Mode als Gegenpol zur spießigen Normalität faszinieren ihn. Er beginnt, Punk-Konzerte in seiner Umgebung zu besuchen, färbt sich die Haare und zwirbelt diese mit Seife in die Höhe, trägt selbst bemalte T-Shirts und zerrissene Jeans. Damit fällt er in der weitgehend grauen DDR-Gesellschaft auf. Für die SED ist Punk mit seiner Anarchie und Individualität eine Kampfansage, eine Rebellion gegen den Staat. Punk in der DDR ist für die Parteifunktionäre eine Kopie des dekadenten Westens.

Pochop, dessen Motive zunächst völlig unpolitisch sind, eckt immer mehr an, gerät mit dem System in Konflikt, erlebt Einschüchterungen und brutale Gewalt durch die Staatssicherheit: 1983 wird er das erste Mal verhaftet. 1986 versucht die Staatssicherheit ihn als IM anzuwerben. Pochop lehnt ab und stellt einen Ausreiseantrag. 1987 kommt er zum zweiten Mal ins Gefängnis. Nach der Haft engagiert Pochop sich politisch und schreibt Beiträge für die Untergrundzeitschrift „mOAning star“. Im Mai 1989 wurde er im Zuge der Stasi-Aktionen „Nelke 89“ und „Symbol 89“ in einem Sonderzug in die Bundesrepublik abgeschoben.

Heute lebt Geralf Pochop in Torgau (Sachsen). Er engagiert sich als Zeitzeuge und arbeitet als Autor. In seinem Buch „Untergrund war Strategie – Punk in der DDR zwischen Rebellion und Repression“ beschrieb er seine Zeit als Punk in der DDR, von der er in seiner Veranstaltung berichtet.

Der Eintritt ist frei, Anmeldungen bitte per E-Mail an veranstaltungen@gedenkort-kassberg.de.

Die Veranstaltung ist eine Kooperation der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung mit dem Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis, dem Institut für Politikwissenschaft der TU Chemnitz und der Volkshochschule Chemnitz im Projekt „Kontrovers vor Ort“ – mitfinanziert mit freundlicher Unterstützung der Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Die Lesung bildet den Auftakt der dreiteiligen Reihe „Jugendopposition und Devianz in der späten DDR“. Außerdem gibt es am Freitag, 19. April, 11.30 Uhr (für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende) und am Freitag, 17. Mai, 19 Uhr (öffentlich) ebenfalls im Lernort im früheren Hafttrakt B die Lesung „,Red Metal‘: Nikolai Okunew über die Heavy-Metal-Subkultur der DDR“.

Die Fotos oben zeigen Geralf Pochop 1986 und 2017, im Bild unten ist er in der Mitte mit Freunden im selbstgehäkelten Netzhemd beim Kirchentreffen „Jugend 1986“ im thüringischen Rudolstadt zu sehen. Bildquelle: Geralf Pochop – mit freundlicher Genehmigung