Red Metal: Zeitgeschichte und Heavy-Metal-Songs im Lernort

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In unserer Reihe „Jugendopposition und Devianz in der späten DDR“ war gestern Abend der Zeithistoriker Dr. Nikolai Okunew mit seinem Buch „Red Metal – Die Heavy-Metal-Subkultur der DDR“ in unserem Lernort im früheren Hafttrakt B zu Gast. Rund 50 Besucherinnen und Besucher folgten seinem Vortrag von den Anfängen des Heavy Metal in Großbritannien und seinem Weg über die Westmedien nach Ostdeutschland bis hin zu Kollaps und Normalisierung nach 1989/90. Es ging um die Bandszene, Konzerte und Fankultur einer an westlichen Vorbildern orientierten, im Selbstverständnis aber weitestgehend unpolitischen Subkultur, soziologisch insbesondere von jungen Facharbeitern getragen. Dabei sei die unpolitische Attitüde, so Okunew, in einer durchideologisierten Gesellschaft wie der DDR, in der alle Bereiche von Politik durchdrungen waren, bereits ein Grund für Skepsis gewesen.

Heavy Metal, so eine weitere zentrale These Okunews, sei dem Regime aber weniger aus politischen Gründen suspekt erschienen als vielmehr wegen der Emotionen, die sich mit ihm verbanden. Wut, Extase und Fatalismus waren Gefühle, die in der DDR keinen öffentlichen Ausdruck finden sollten. Im Westen mochte Heavy Metal die Musik der unterdrückten Arbeiterklasse sein, die Zorn empfinden durfte. Im Osten, so die offizielle Lesart, war die Arbeiterklasse hingegen an der Macht und hatte keinen Grund für negative Emotionen.

Dass es ein breites Spektrum im Verhältnis zwischen Subkultur und Regime gegeben habe, das von der Präsenz im Staatsradio über mehrdeutige Songtexte bis hin zu Auftrittsverboten reichte, deutete Okunew als Zeichen des Erosionsprozesses in der späten DDR. Weil es keine zentrale Direktive zum Umgang mit der Subkultur gegeben habe, sei in Partei, Staatssicherheit, Volkspolizei unabgestimmt, vielfach auf persönlicher Ebene entschieden worden, ob Heavy Metal geduldet wurde oder zu bekämpfen sei. Begleitet wurde der Vortrag von Fotos, Videos und Songbeispielen.

Unsere Bilder, fotografiert von Robert Schröpfer, zeigen oben Dr. Nikolai Okunew bei seinem Vortrag in unserem Lernort im früheren Hafttrakt B, außerdem unten gemeinsam mit unserer wissenschaftlichen Leiterin Dr. Steffi Lehmann sowie den Büchertisch mit seinem Buch „Red Metal – Die Heavy-Metal-Subkultur der DDR“, erschienen 2021 bei Ch. Links Berlin.

Eine Kooperation des Lern- und Gedenkorts Kaßberg-Gefängnis mit dem Institut für Politikwissenschaft der TU Chemnitz und der Volkshochschule Chemnitz – mit freundlicher Unterstützung der Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Wir danken für die produktive Zusammenarbeit!

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