Von Chemnitz nach Stockholm – Erinnerungsbuch im Lernort erhältlich

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Ab sofort ist am Servicetresen im Eingangsbereich unseres neuen Lernorts im früheren Hafttrakt B das Erinnerungsbuch „Wir leben weiter – Geschichte einer Familie“ von Franz T. Cohn erhältlich. Der Verfasser (1927-2023) erzählt in dem 2018 in deutscher Übersetzung erschienenen Buch das Schicksal seiner jüdischen Familie, die in der Eulitzstraße auf dem Chemnitzer Kaßberg zu Hause war, und seinen eigenen Lebensweg.

Sein Vater, der Chemnitzer Rechtsanwalt Dr. Fritz Cohn, gehörte zu den 186 jüdischen Männern, die im Zuge der Novemberpogrome von 1938 in Chemnitz und Umgebung von den Nationalsozialisten inhaftiert und vermutlich im Kaßberg- und im Polizeigefängnis in der Hartmannstraße eingesperrt wurden. Wie die meisten von ihnen wurde Fritz Cohn in den darauffolgenden Tagen ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht und dort wochenlang unter katastrophalen Bedingungen gefangen gehalten.

Bereits vor seiner Festnahme hatten Fritz Cohn und seine Frau Margot Cohn, geborene Bermann, sich darum bemüht, die Familie in Sicherheit zu bringen. Anfang 1939 konnten die beiden erwachsenen Töchter Hilla (zu Verwandten nach England) und Hanna mit ihrer Tochter Tana (zu ihrem Ehemann nach Argentinien) ausreisen. Der jüngere Sohn Franz gelangte im Alter von elf Jahren mit einem Kindertransport nach Schweden. Dort wurde er in der Familie eines Bruders der Mutter, des Verlegers Gottfried Bermann Fischer, später von der Großmutter aufgenommen. Margot und Fritz Cohn selbst erhielten ebenfalls im Frühjahr 1939 dank einer Bürgschaft von Verwandten ein Visum für Norwegen, wo sie sich in der Umgegend von Oslo niederließen. Dort wurden sie 1940 von der deutschen Wehrmacht eingeholt und im November 1942 verhaftet. Beide wurden ins Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Ihr Sohn Franz T. Cohn überlebte in Schweden. Er arbeitete als Elektroingenieur, gründete eine Familie und engagierte sich publizistisch für den Staat Israel. Im April dieses Jahres verstarb er im Alter von 96 Jahren. In der Eulitzstraße in Chemnitz erinnern seit 2014 zwei Stolpersteine zwischen den heutigen Hausnummern 5 und 7 an seine Eltern.

Das Erinnerungsbuch „Wir leben weiter – Geschichte einer Familie“ von Franz T. Cohn erschien 2018 in deutscher Übersetzung im Mironde Verlag Niederfrohna. Es umfasst 120 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und kostet 12,50 Euro.

Einen Text des Historikers Dr. Jürgen Nitsche zum Tod von Franz T. Cohn in der Freien Presse Chemnitz finden Sie, wenn Sie hier klicken (kostenpflichtig).

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