Schon vor geraumer Zeit bekam unser Zeitzeuge Dr. Hans-Jürgen Kühn für seine Kurzgeschichte „Linderlöh“ den Kammweg-Literaturpreis des Kulturraums Erzgebirge-Mittelsachsen zugesprochen. Auf unserer Website dokumentieren wir nun den literarischen Text, der die Hafterlebnisse des Verfassers spiegelt. Hans-Jürgen Kühn, geboren 1946 in Chemnitz, war im August 1972 verhaftet und im Kaßberg-Gefängnis eingesperrt worden. Der Vorwurf: „mehrfache staatsgefährdende Hetze“ und „Vorbereitung zum illegalen Verlassen der DDR“. Eine Rolle spielte dabei auch ein Romanprojekt, das denselben Titel wie nun die Kurzgeschichte trug. Auf 56 DIN-A4-Seiten hatte der Verfasser „Die Sorgen und Nöte Linderlöh oder eine deutsche Verirrung“ geschildert, was ihm die Stasi als „Hetze gegen die sozialistischen Verhältnisse in der DDR in allen Bereichen“ auslegte.
„Die Welt in meinem Kopf war eine andere Maschine: Linderlöh. Linderlöh, der sich seit Jahren breitmachte. Aus der ersten Fassung wurde eine zweite. Und auch die zweite war noch nicht fertig. Ich ließ sie liegen. Ließ sie liegen, weil so ein Buch nicht wie eine Maschine vom Band läuft. Die Freunde drängten mich. Die Freunde. Elf Freunde sollt ihr sein. Heißt es. Es waren nur drei. Drei, denen ich vorlas. Drei, die mir auf die Schulter klopften. Drei, die mich beim Abschied an sich drückten, als sollte ich an ihnen kleben bleiben. Sie beflügelten mich mit meinem Zündstoff. Die Freunde. Das Ding zündet, sagten sie. Es zündete. Nur die Richtung war eine andere als vorgesehen. Ich flog mit dem Linderlöh davon. Flog weg von der Welt. Weg von den drei Freunden. Weil von den drei Freunden sich einer. Sich einer nicht nur vorlesen ließ. Weil einer oder zwei? Daran dachte ich erst an diesem Morgen. An diesem Morgen mit dem Fenster, das sich nicht öffnen ließ.“
Zum vollständigen Text von Hans-Jürgen Kühn gelangen Sie, wenn Sie hier klicken. Die Fotos unten stammen aus der Stasi-Akte von Hans-Jürgen Kühn und zeigen ihn als jungen Mann.