Zeitzeuge im neuen Lernort zu Gast

Zeitzeugenbesuch aus dem Erzgebirge hatte am Freitag unser Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis. Der 96-jährige Heinz Unger war mit Sohn und Schwiegertochter nach Chemnitz gekommen, um unseren neuen Lernort im früheren Hafttrakt B zu besichtigen. Heinz Unger, Jahrgang 1927, war im letzten Kriegsjahr als 17-Jähriger in die Wehrmacht eingezogen worden und in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten. Im Oktober 1948 wurde er nach Deutschland entlassen mit der Auflage, als Grenzpolizist zu beginnen. Tatsächlich wurde er als Volkspolizist in Eibenstock, dann als Dienststellenleiter der Volkspolizei in Sosa eingesetzt. Anfang 1953 wurden wegen Waffenbesitzes neben weiteren Personen im Ort auch die ihm untergebenen vier Volkspolizisten beziehungsweise Polizeihelfer festgenommen, im Februar 1953 Heinz Unger selbst. Er wurde nach Aue und von dort in Haft in die Gutenbergstraße in Chemnitz gebracht.

Drei Monate lang wurde Heinz Unger, wie er berichtet, gemeinsam mit acht Mithäftlingen auf einer Zelle gefangen gehalten und von der Staatssicherheit unter Aufsicht sowjetischer Offiziere verhört. Er erinnert sich an eine Holzpritsche, die alle Insassen gemeinsam nutzen mussten, Wassermangel und fehlende Hygiene. Anfang Mai 1953 wurde er aufgrund einer womöglich erzwungenen Zeugenaussage, er habe den Behörden den illegalen Waffenbesitz eines Polizeikollegen verschwiegen, als Mitwisser zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Er habe sich in die Volkspolizei eingeschlichen, um der DDR zu schaden, kanzelte ihn der Richter ab. Die Besitzer der Waffen erhielten geringere Strafen als er, sagt Heinz Unger. Zum Strafvollzug war er in Glauchau, Zwickau, Waldheim und schließlich auf der Baustelle des Flughafens Dresden-Klotzsche inhaftiert. Von dort wurde er im Mai 1956 im Zuge einer Amnestie vorzeitig entlassen.

Im Jahr 1994 wurde Heinz Unger vom Landgericht Chemnitz rehabilitiert. Die Höhe der Haftstrafe, so stellten die Richter fest, habe in grobem Missverhältnis zur zugrundeliegenden Tat gestanden und der politischen Verfolgung des Antragstellers gedient.

Unser Foto zeigt Heinz Unger gemeinsam mit seinem Sohn Frank Unger und seiner Schwiegertochter Gudrun Unger beim Rundgang in unserem Lernort im früheren Hafttrakt B.

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