In der vergangenen Woche war unser Verein beim 28. Halle-Forum der Gedenkstätte Roter Ochse Halle (Saale) und der Beauftragten des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur dabei. Im Programmpunkt „Erinnerungsarbeit und Rehabilitierung“ stellte unsere wissenschaftliche Leiterin Dr. Steffi Lehmann am Freitag Mittag unseren neu eröffneten Lernort im früheren Hafttrakt B des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses vor und informierte über die doppelte Diktaturgeschichte des einstigen politischen Haftorts und den Häftlingsfreikauf aus der DDR. Außerdem gab es an den zwei Tagen Gelegenheit zu zahlreichen Gesprächen. Im Bild zu sehen: Dr. Steffi Lehmann (r.) mit Zeitzeugin Monika Schneider und Zeitzeuge Andreas Neudert.
Monika Schneider hatte im Januar 1983 versucht, mit einem gefälschten Pass über die damalige ČSSR in die Bundesrepublik zu gelangen, um mit ihrem Freund zusammensein zu können. Das Vorhaben wurde verraten. Auf dem Bahnhof in Prag wurde sie festgenommen und nach Berlin-Hohenschönhausen gebracht. Im April 1983 wurde sie wegen „versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts“ zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt und aufgefordert, ihre Kinder zur Adoption freizugeben. Ihr Freund wandte sich an die Presse und suchte Kontakt zum Papst. Zum Strafvollzug wurde Monika Schneider nach Hoheneck gebracht. Im Januar 1985 wurde sie ins Kaßberg-Gefängnis verlegt und blieb dort bis zu ihrer Entlassung in die Bundesrepublik im April 1985.
Andreas Neudert war von Oktober 1988 bis Januar 1989 wegen „versuchter Republikflucht in schwerem Fall“ als Untersuchungshäftling der Staatssicherheit im Kaßberg-Gefängnis inhaftiert. Er hatte versucht, im Vogtland die Grenzanlagen zu Bayern mit Hilfsmitteln wie einer zusammenschraubbaren Leiter und einem Wurfanker zu überwinden, was missglückte. Andreas Neudert wurde zu einem Jahr und zehn Monaten Haft verurteilt und ins sogenannte Jugendhaus Halle gebracht. „Jugendhaus“ war in der DDR die beschönigende Bezeichnung für Jugendstrafanstalt. Dort erlebte er die Friedliche Revolution hinter Gittern mit, unter anderem mit einem Hungerstreik der Häftlinge. Kurz nach dem Mauerfall kam er am 15. November 1989 in Freiheit.