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Mehr als 80 Gäste waren gestern Abend – und noch einmal 40 Studierende sowie Schülerinnen und Schüler heute Vormittag – in unseren Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis gekommen, um einen Vortrag mit dem Journalisten Thomas Purschke zu hören. Unter dem Titel „Im Fokus der Stasi: Springsteen, Cocker, Stones und Maffay – Wie die DDR-Geheimpolizei Fans von Westmusik schikanierte“ ging es, gespeist aus Konzerterlebnissen des Referenten und dem Studium umfangreichen Aktenmaterials, anhand von Songbeispielen, Fotos und Dokumenten um Ostfans von West-Stars und Repressionen, denen sie seitens des Regimes ausgesetzt waren. Was Musik dem Einzelnen dabei bedeuten konnte, machte gleich zu Beginn ein Zitat von Václav Havel deutlich, der sich später als tschechoslowakischer Staatspräsident daran erinnerte, wie sehr ihm als Dissident Songs von Bob Dylan und den Stones, die er im Kopf hatte, über die Haft bei der dortigen Geheimpolizei StB hinweggeholfen hatten.
In anderthalb Stunden spannte Thomas Purschke einen Bogen von Walter Ulbrichts Verdikt über die „Monotonie des Yeah, Yeah, Yeah“, mit der Schluss zu machen sei, von 1965 bis hin zu den Auftritten von West-Stars wie Udo Lindenberg, Peter Maffay oder Joe Cocker in der DDR, die in den 1980er-Jahren möglich wurden – oft vor in großen Teilen ausgewähltem Publikum, wie Purschke anhand einer Auflistung der Kartenkontigente für das legendäre Bruce-Springsteen-Konzert 1988 in Berlin-Weißensee aufzeigte, und immer unter Aufsicht der Staatssicherheit. Selbst die Rolling Stones, die nur einmal im Ostblock auftraten, in Warschau 1967, wurden beim Transit nach West-Berlin Gegenstand der Überwachung – und die Frage, ob Mick Jagger es war, der ordnungswidrig eine Zigarette aus dem Busfenster geschnippt hatte, oder der Busfahrer.
Fans riskierten viel, um ihren Idolen nah zu sein. Monatelang fahndete die Staatssicherheit nach einem Briefschreiber aus Gera, der sich im Oktober 1969 unter dem Pseudonym „John Dillinger“ mit seinem Frust über die DDR und einer Liste von Wunschsongs an die Rias-Sendung „Treffpunkt“ in West-Berlin gewendet hatte. Jugendliche wie der damals 16-jährige Eckart Mann, die am 7. Oktober 1969 an die Berliner Mauer gepilgert waren, um ein angebliches Stones-Konzert auf dem Springerhochhaus zu hören, verschwanden wegen „Zusammenrottung“ in sogenannten Jugendhäusern, wie die DDR beschönigend ihre Jugendgefängnisse nannte. Live erleben, so Thomas Purschke, konnten viele von ihnen ihre Heroes erst nach dem Mauerfall.
Unsere Bilder, fotografiert von Kateryna Vdovchenko und Robert Schröpfer, zeigen oben Thomas Purschke bei seinem Vortrag gestern Abend, außerdem unten unsere wissenschaftliche Leiterin Dr. Steffi Lehmann bei der Begrüßung, die Veranstaltung mit den Schülerinnen und Studierenden heute Vormittag sowie verschiedene Eindrücke von gestern Abend.
Die Veranstaltung war eine Kooperation mit der Volkshochschule Chemnitz und dem Institut für Politikwissenschaft der TU Chemnitz und Teil unserer gemeinsamen Reihe „Jugendopposition und Devianz in der späten DDR“. Der Vortrag wurde unterstützt von der Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Wir danken Dr. Ellen Thümmler von der Volkshochschule Chemnitz, Dr. Frank Schale vom Institut für Politikwissenschaft der TU Chemnitz und Erik Schönborn vom Karl-Schmidt-Rottluff-Gymnasium Chemnitz für die freundliche Zusammenarbeit, außerdem allen Freiwilligen, die uns gestern und heute unterstützt haben. Für den technischen Support sorgte unser Kollege Konstantin Wiesinger.
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