Wir erinnern uns

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Heute jährt sich die Pogromnacht vom 9. November 1938 zum 85. Mal. Unser Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis erinnert aus diesem Anlass an die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung. Unser Vorstandsmitglied Veronika Brandt, unser Verwaltungsleiter Ingolf Notzke und unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Robert Schröpfer nahmen am Vormittag an der Gedenkveranstaltung der Stadt Chemnitz und der Jüdischen Gemeinde Chemnitz am einstigen Standort der zerstörten alten Synagoge am Stephanplatz teil. Anschließend legten sie gemeinsam mit unserer wissenschaftlichen Leiterin Dr. Steffi Lehmann und unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Kristina Hahn Blumen an der Gedenkinschrift für die Opfer der NS-Diktatur an der Außenmauer des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses nieder und putzten die Stolpersteine für Leib Kleinberg und Hans Mire in der Kaßbergstraße, die als Juden inhaftiert worden waren und im Kaßberg-Gefängnis ums Leben kamen, sowie für Erich Wangenheim, seine Ehefrau Ellen Wangenheim und seine Mutter Johanna Wangenheim in der Agricolastraße vor Hausnummer 13.

Erich Wangenheim, geboren 1881 in Chemnitz und von Beruf Kaufmann, gehörte dem Historiker Dr. Jürgen Nitsche zufolge 1938 zu den 186 jüdischen Männern, die während des Novemberpogroms in Chemnitz und Umgebung festgenommen wurden. Ein Teil von ihnen wurde im Polizeigefängnis in der Hartmannstraße, weitere vermutlich im Kaßberg-Gefängnis eingesperrt. Gemeinsam mit 171 Mitgefangenen wurde Erich Wangenheim in den darauffolgenden Tagen ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht, obwohl er als Fronstsoldat im Ersten Weltkrieg infolge einer Verwundung das linke Bein verloren hatte. Die Häftlinge waren Durst, Hunger, Kälte und Misshandlungen ausgesetzt.

Erich Wangenheim kam noch einmal frei. 1939 wurde er Vorsitzender der Jüdischen Religionsgemeinde, 1940 Leiter des Jüdischen Altenheims am Antonplatz. Im März 1943 wurden Erich Wangenheim und seine Frau von der Gestapo festgenommen und nach Theresienstadt verschleppt. Ellen Wangenheim starb dort am 21. März 1944 im Alter von 52 Jahren an Hunger und Krankheit. Johanna Wangenheim war bereits im September 1942 nach Theresienstadt deportiert worden und dort am 30. Oktober 1942 im Alter von 81 Jahren verstorben. Erich Wangenheim überlebte. Er kehrte im Juni 1945 nach Chemnitz zurück und gehörte im September 1945 zu den Wiederbegründern der Jüdischen Gemeinde. 1949 zog er zu seinem Sohn nach Israel. Er starb am 5. August 1955 im Alter von 74 Jahren.

Einen Text des Historikers Dr. Jürgen Nitsche über Erich Wangenheim und seine Familie, auf dem die biografischen Absätze oben basieren, und ein Porträtbild finden Sie hier.

Unsere Bilder, fotografiert von Robert Schröpfer, zeigen oben unsere wissenschaftliche Leiterin Dr. Steffi Lehmann, unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Kristina Hahn und unser Vorstandsmitglied Veronika Brandt (v.l.) an der Gedenkinschrift für die Verfolgten der NS-Diktatur an der Außenmauer des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses, unten die Stolpersteine für Johanna, Erich und Emilie Wangenheim in der Agricolastraße und für Leib Kleinberg und Hans Mire in der Kaßbergstraße sowie unser Vorstandsmitglied Veronika Brandt und unseren Verwaltungsleiter Ingolf Notzke bei der Gedenkveranstaltung am Mahnmal für die 1938 zerstörte Synagoge am Stephanplatz.

Am Abend ist unsere Dauerausstellung im Rahmen der „Lichtpunkte wider das Vergessen“ über die reguläre Öffnungszeit hinaus zusätzlich von 17 bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt ab 17 Uhr ist frei. Wir geben Auskunft über das Kaßberg-Gefängnis in der Zeit des Nationalsozialismus und den neuen Lernort im früheren Hafttrakt B. Schwerpunkt sind der Ausstellungsbereich im dritten Obergeschoss und jüdische Haftschicksale. Außerdem putzen und beleuchten wir im Rahmen der „Lichterwege“ weitere Stolpersteine in unserer Nachbarschaft auf dem Kaßberg.

Wir danken Dr. Jürgen Nitsche für die freundliche Beratung und Unterstützung.

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