Wir erinnern uns

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Als Jahrestag des Mauerfalls von 1989 steht der 9. November für den Kampf um Freiheit und Demokratie, als Datum der Novemberpogrome von 1938 für die Gewalt gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland, ihre Entrechtung, Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten.

Unser Verein erinnerte aus diesem Anlass heute Vormittag an die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung. Unser Vorstandsmitglied Veronika Brandt, Gedenkstättenleiterin Dr. Steffi Lehmann, Verwaltungsleiter Ingolf Notzke und unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Robert Schröpfer nahmen an der Gedenkveranstaltung der Stadt Chemnitz und der Jüdischen Gemeinde Chemnitz am früheren Standort der zerstörten alten Synagoge am Stephanplatz teil. Anschließend legten sie Blumen an der Gedenkinschrift für die Opfer der NS-Diktatur an der Außenmauer des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses nieder und putzten die Stolpersteine für Leib Kleinberg und Hans Mire in der Kaßbergstraße, die als Juden auf dem Kaßberg inhaftiert worden waren und sich in der Haft unter ungeklärten Umständen das Leben nahmen, sowie für Jankel Rotstein und zwei seiner Kinder in der Ludwig-Kirsch-Straße im Chemnitzer Stadtteil Sonnenberg.

Der Handelsmann Jankel Rotstein (1889-1942), Vater des späteren Vorstandsvorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Karl-Marx-Stadt Siegmund Rotstein, stammte Angaben des Historikers Dr. Jürgen Nitsche zufolge aus Warschau, war im Ersten Weltkrieg in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und als Dolmetscher eingesetzt worden. 1920 ließ sich Rotstein in Chemnitz nieder und heiratete. Nach Kriegsbeginn wurde der fünffache Familienvater im September 1939 von seinen Angehörigen getrennt und auf dem Kaßberg inhaftiert, nachdem er zuvor bereits zweimal vorübergehend verhaftet und anschließend zu Zwangsarbeit verpflichtet worden war. Im Februar 1940 wurde Jankel Rotstein in das Internierungslager Nürnberg-Langwasser und später ins Warschauer Ghetto im besetzten Polen verschleppt. „Ganze Tage müssen wir hungern. Kein Mensch kann lange so leben“, schrieb er seiner Frau im Juli 1941 (zitiert nach Christian Lieberwirth). Im September 1942 starb Jankel Rotstein den Hungertod, wie seiner Familie berichtet wurde.

Das Schicksal von Jankel Rotstein gehört ebenso wie das von Leib Kleinberg und das von Hans Mire zu den Lebensgeschichten, die in der Dauerausstellung des künftigen Lern- und Gedenkorts Kaßberg-Gefängnis erzählt werden sollen. Einen Text des Historikers Dr. Jürgen Nitsche über Familie Rotstein finden Sie hier.

Unsere Fotos zeigen oben unser Vorstandsmitglied Veronika Brandt (l.), unsere Gedenkstättenleiterin Dr. Steffi Lehmann und unseren Verwaltungsleiter Ingolf Notzke, fotografiert von Robert Schröpfer, an der Gedenkinschrift für die Verfolgten der NS-Diktatur an der Außenmauer des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses sowie unten die Stolpersteine für Jankel, Marianne und Roland Rotstein in der Ludwig-Kirsch-Straße sowie für Leib Kleinberg und Hans Mire in der Kaßbergstraße, außerdem unser Team beim Putzen der Stolpersteine sowie bei der Gedenkfeier der Stadt Chemnitz und der Jüdischen Gemeinde Chemnitz an der Stele für die alte Chemnitzer Synagoge am Stephanplatz.

Am Abend ist unser Verein außerdem im Rahmen der Gedenkveranstaltung „Lichtpunkte Chemnitz“ von 18 bis 20 Uhr am Gedenkort in der Kaßbergstraße präsent. Wir geben Auskunft über das Kaßberg-Gefängnis in der Zeit des Nationalsozialismus sowie über den entstehenden Lern- und Gedenkort.

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