Wir erinnern uns

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Heute ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Vertreterinnen und Vertreter unseres Vereins nahmen am Vormittag an der gemeinsamen Gedenkveranstaltung des Sächsischen Landtags, der Sächsischen Staatsregierung und der Stadt Chemnitz im Park der Opfer des Faschismus in Chemnitz teil. Vorstandsmitglieder und Mitarbeitende legten Blumen nieder. Anschließend erinnerte unser Gedenkstättenteam an der Gedenkinschrift an der Außenmauer des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses an die Opfer der Nationalsozialisten und putzte die Stolpersteine für Hans Mire und Leib Kleinberg in der Kaßbergstraße sowie für Margot und Fritz Cohn in der Eulitzstraße, ebenfalls auf dem Chemnitzer Kaßberg gelegen.

Leib Kleinberg und Hans Mire waren im Sommer 1939 beziehungsweise im Frühjahr 1940 festgenommen worden, weil sie Juden waren, und hatten sich im April beziehungsweise im Mai 1940 in der Haft auf dem Kaßberg unter jeweils ungeklärten Umständen das Leben genommen. An ihre Schicksale soll auch in der Dauerausstellung des künftigen Lern- und Gedenkorts Kaßberg-Gefängnis erinnert werden. Der Chemnitzer Rechtsanwalt Dr. Fritz Cohn gehörte zu den 186 jüdischen Männern, die im Zuge der Novemberpogrome von 1938 in Chemnitz und Umgebung von den Nationalsozialisten inhaftiert und vermutlich im Kaßberg- und im Polizeigefängnis in der Hartmannstraße eingesperrt wurden. Wie die meisten von ihnen wurde Fritz Cohn in den darauffolgenden Tagen ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht und dort wochenlang unter katastrophalen Bedingungen gefangen gehalten.

Bereits vor seiner Festnahme hatten Fritz Cohn und seine Frau Margot Cohn, geborene Bermann, sich darum bemüht, die Familie in Sicherheit zu bringen. Nach der Entlassung Fritz Cohns Anfang 1939 konnten die beiden erwachsenen Töchter Hilla (zu Verwandten nach England) und Hanna mit ihrer Tochter Tana (zu ihrem Ehemann nach Argentinien) ausreisen. Der jüngere Sohn Franz gelangte im Alter von elf Jahren mit einem Kindertransport nach Schweden, wo er in der Familie eines Bruders der Mutter, des Verlegers Gottfried Bermann Fischer, später von der Großmutter aufgenommen wurde. Margot und Fritz Cohn selbst erhielten ebenfalls im Frühjahr 1939 dank einer Bürgschaft von Verwandten ein Visum für Norwegen, wo sie sich in Asker in der Umgegend von Oslo niederließen und von Zuwendungen der Familie, später Schneiderarbeiten Margot Cohns lebten. Bei einem Besuch im Sommer 1939 in Norwegen sah ihr Sohn Franz die Eltern noch einmal wieder.

Im April 1940 holten die Nationalsozialisten die Flüchtlinge ein. Die Wehrmacht besetzte Norwegen. Pläne der Familie, Margot und Fritz Cohn nach Argentinien, in die Vereinigten Staaten oder nach Schweden nachzuholen, scheiterten. Am 26. November 1942 verhaftete die Polizei der von den Nationalsozialisten eingesetzten Regierung das Ehepaar und lieferte beide an die Deutschen aus. Über Oslo und Stettin wurde das Paar gemeinsam mit weiteren Jüdinnen und Juden aus Norwegen ins Vernichtungslager Auschwitz im besetzten Polen deportiert. Margot Cohn wurde unmittelbar nach der Ankunft in Auschwitz am 1. Dezember 1942 ermordet, Fritz Cohn am 7. Januar 1943. Margot Cohn war 50, Fritz Cohn 57 Jahre alt.

Unser Foto oben zeigt unser Vorstandsmitglied Veronika Brandt, unsere wissenschaftliche Leiterin Dr. Steffi Lehmann und unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Kristina Hahn bei der Gedenkfeier am Mahnmal für die Opfer des Faschismus. Vertreten waren außerdem unser Vorsitzender Jürgen Renz, unsere Vorstandsmitglieder Hanka Kliese, Damaris Meischner, Alexander Dierks und Volkmar Zschocke sowie unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Robert Schröpfer. Die Bilder unten zeigen das Blumengebinde unseres Vereins, das Gedenken an der Außenmauer des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses sowie die Stolpersteine für Leib Kleinberg und Hans Mire in der Kaßbergstraße sowie für Margot und Fritz Cohn in der Eulitzstraße zwischen den Häusern 5 und 7, der früheren Nummer 13, dem Wohnsitz der Familie in Chemnitz bis 1939.

Wir danken dem Historiker Dr. Jürgen Nitsche für die biografischen und die Literaturhinweise zu Familie Cohn. Informationen zum Erinnerungsbuch „Wir leben weiter – Die Geschichte einer Familie“ von Franz T. Cohn, 2018 in deutscher Übersetzung im Mironde Verlag Niederfrohna erschienen, auf dem die Angaben oben basieren, finden Sie hier auf der Website des Verlags.

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