In Chemnitz erinnern seit heute zwei weitere Stolpersteine an Schicksale von Verfolgten in der Zeit des Nationalsozialismus, deren Leidenswege mit dem Kaßberg-Gefängnis verbunden beziehungsweise möglicherweise mit ihm verbunden sind. Siegfried Lässig (1915–1974) musste fast die gesamte NS-Zeit in Gefängnissen und Konzentrationslagern verbringen. Dreimal – im August und im Dezember 1933 sowie im September/Oktober 1937 – war er im Kaßberg-Gefängnis eingesperrt, wie der Historiker Dr. Jürgen Nitsche berichtet. Im Sommer 1933 hatte der Student der Gewerbeakademie Chemnitz Broschüren und die kommunistische Zeitung „Der Kämpfer“ verbreitet, war denunziert und daraufhin festgenommen worden. Nach dem Kaßberg hielten die Nationalsozialisten den 18-Jährigen im Konzentrationslager Sachsenburg fest, bis er im November 1933 entlassen wurde.
Bereits im Dezember 1933 geriet Siegfried Lässig erneut in Haft. Auch diesmal war das Kaßberg-Gefängnis eine der Haftstationen. Das Sondergericht Freiberg verurteilte den jungen Mann wegen angeblicher unwahrer Behauptungen und des Besitzes von Flugblättern zu 14 Monaten Gefängnis, die er bis 1935 unter anderem in Bautzen verbüßen musste. Im Jahr 1937 wurde er zum dritten Mal festgenommen. Wieder war neben dem Polizeigefängnis in der Hartmannstraße das Kaßberg-Gefängnis einer der ersten Haftorte, bevor er im Polizeipräsidium Dresden, später im Konzentrationslager Buchenwald und einem Außenkommando des Konzentrationslagers Stutthof festgehalten wurde. Im März 1945 wurde Siegfried Lässig befreit. An sein Schicksal erinnert nun ein Stolperstein am gemeinsamen Wohnsitz mit den Eltern in der Brauhausstraße 19 in Chemnitz.
Der Kaufmann und Veteran des Ersten Weltkriegs Julius Strauß (1896–1942) lebte nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1930 mit den beiden gemeinsamen Söhnen in Chemnitz. Am 7. September 1935 wurde er nach Angaben von Dr. Jürgen Nitsche verhaftet, wahrscheinlich im Polizeigefängnis in der Hartmannstraße oder im Kaßberg-Gefängnis eingesperrt und eine Woche später ins Konzentrationslager Sachsenburg gebracht. Der Zeitpunkt seiner Entlassung ist unklar. 1938 gehörte Julius Strauß zu den 186 jüdischen Männern, die im Zuge der Novemberpogrome in Chemnitz und Umgebung inhaftiert und vermutlich im Kaßberg- und im Polizeigefängnis in der Hartmannstraße eingesperrt waren. Anschließend wurde er ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht und am 1. Dezember 1938 unter der Bedingung entlassen, das Land so schnell wie möglich zu verlassen.
Während die Söhne bei den Großeltern in Chemnitz blieben, gelangte Julius Strauß im August 1939 nach Frankreich. Nach Kriegsausbruch wurde er verhaftet und ins Durchgangslager Drancy bei Paris gebracht. Von dort aus wurde Julius Strauß am 19. August 1942 von den Deutschen ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet. Zum Gedenken an Julius Strauß wurde ein Stolperstein vor dem letzten gemeinsamen Wohnsitz des Familienvaters mit den beiden Söhnen im Heimgarten 100 in Chemnitz verlegt.
Insgesamt wurden heute in Chemnitz 25 neue Stolpersteine an elf Orten in die Gehwege eingelassen. Die biografischen Darstellungen, verfasst von Dr. Jürgen Nitsche, auf denen unser Beitrag basiert, finden Sie auf der Website der Stadt Chemnitz. Wir danken Dr. Jürgen Nitsche für das Teilen seiner Informationen.