Zeitzeuge im Gespräch

Wie kamen Sie auf die Idee, mit einem Ballon fliehen zu wollen? Gab es einen bestimmten Anlass, der Ihren Fluchtwunsch ausgelöst hat? Was drohte, wenn ein Fluchtversuch misslang? Um Fragen wie diese ging es im März bei einem Zeitzeugengespräch im Kinosaal des Chemnitzer Clubs „Weltecho“, zu dem – moderiert von unserer Leiterin Dr. Steffi Lehmann und unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Kristina Hahn – unser Verein in Kooperation mit dem Bundesarchiv/Stasi-Unterlagen-Archiv (StUA) Chemnitz und der Kindervereinigung Sachsen e.V. den Zeitzeugen Günter Wetzel und Bundesfreiwilligendienstleisende aus Chemnitz und Region zusammengebracht hatte. Zuvor hatten die „Bufdis“ Vorträge von StUA-Mitarbeiterin Sandra Meier über die Methoden der Staatssicherheit und unseres Vereins über das Kaßberg-Gefängnis und den Häftlingsfreikauf gehört und den Spielfilm „Ballon“ von Regisseur Michael Bully Herbig aus dem Jahr 2018 gesehen. Der Film basiert auf der spektakulären Flucht Günter Wetzels mit seiner eigenen und einer befreundeten Familie in den Westen.

Gemeinsam mit dem Elektriker Peter Strelzyk hatte der damals 22-jährige Berufskraftfahrer aus dem ostthüringischen Pößneck Ende der 70er-Jahre einen Heißluftballon nach eigenen Berechnungen konstruiert, Gondel und Flammenwerfer gebaut und aus Stoffbahnen eine hunderte Quadratmeter große Ballonhülle genäht. War im Juli 1979 ein erster Fluchtversuch, den Familie Strelzyk aus Platzgründen noch allein unternommen hatte, mit einer Bruchlandung vor der innerdeutschen Grenze geendet, schafften es beide Familien – vier Erwachsene, vier Kinder – im September 1979 mit einem zweiten, dann gemeinsamen Versuch in einem größeren Ballon bis hinüber nach Oberfranken. Die Staatssicherheit war den Ausreisewilligen dabei aufgrund des entdeckten Landeplatzes des ersten Versuchs nicht nur im Film, sondern auch in der Wirklichkeit dicht auf den Fersen. Hätten die Fluchtwilligen nur wenige Tage gezögert, wären sie mit großer Wahrscheinlichkeit aufgedeckt und festgenommen worden.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichteten im Gespräch auch über eigene Konflikte mit dem DDR-Regime. Die Kombination aus Spielfilm und Zeitzeugengespräch im Weltecho wird neben zahlreichen Workshops im eigenen Haus zu den Bildungsangeboten unseres Lern- und Gedenkorts gehören, die nach Eröffnung angefragt werden können.

Unsere Fotos, aufgenommen von Kristina Hahn, zeigen oben unseren Zeitzeugen Günter Wetzel im Hof des Chemnitzer Weltechos sowie unten StUA-Mitarbeiterin Sandra Meier (l.) und unsere Leiterin Dr. Steffi Lehmann mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Projekttags.

Die Veranstaltung wurde mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes. Wir danken außerdem dem StUA Chemnitz, der Kindervereinigung Sachsen e.V.  und dem Weltecho-Team für die Zusammenarbeit sowie Studiocanal für die freundliche Unterstützung der Filmvorführung.

Link teilen