Wie verkraftet man die Haft? Wie umgehen mit Verrat? Warum verlief mein Leben anders in der DDR? Um solche Fragen ging es gestern Abend in einem Zeitzeugengespräch des Evangelischen Forums Chemnitz im Umweltzentrum in der Henriettenstraße. Zuvor hatte Chris Bürger, wegen Fluchtvorbereitungen von Februar 1986 bis November 1987 im Kaßberg-Gefängnis und im Zuchthaus Cottbus eingesperrt, den Bogen von der Jugend im christlichen Elternhaus über abgelehnte Ausreiseanträge und Hafterfahrungen bis hin zu seinem heutigen Engagement im Menschenrechtszentrum Cottbus und in unserem Verein gespannt.
Einen Schwerpunkt bildeten auch seine Erlebnisse von 1989. Als Chris Bürger im Mai des Jahres in der Tagesschau von den damals ersten Zufluchtsuchenden in der Prager Botschaft der Bundesrepublik gehört hatte, machte sich der 33-Jährige, der nach der Haftentlassung unter schikanösen Bewährungsauflagen im damaligen Karl-Marx-Stadt leben musste, über die grüne Grenze in die Tschechoslowakei auf. Nach der geglückten Flucht in die Botschaft avancierte er zum Verbindungsmann zwischen den Mitarbeitern und zuletzt 5.300 Flüchtlingen auf dem Gelände der diplomatischen Vertretung, bevor er Ende September 1989 gemeinsam mit Hunderten anderen Zufluchtsuchenden in den Westen ausreisen durfte. Dass die Züge mit den Flüchtlingen auf Drängen der Machthaber durch die abgesperrte DDR geleitet wurden, eskalierte die Situation dort und beschleunigte das Ende der SED-Diktatur.
Unser Foto zeigt Chris Bürger (am Tisch rechts) neben Moderator Thomas Doyé vom Evangelischen Forum Chemnitz.
Das Zeitzeugengespräch wurde mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes.