Zeitzeugenbesuch hatte am Wochenende unser Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis. Annemarie Krause war, begleitet von Roland Steinbach, ebenfalls ehemaliger Gefangener der sowjetischen politischen Geheimpolizei NKWD, mit ihrem Ehemann Karl-Heinz Krause, ihrer Tochter Verena Della Bella und ihrer Enkelin Patricia Della Bella Herford nach Chemnitz gekommen, um die Dauerausstellung im früheren Hafttrakt B zu besichtigen und ihren Angehörigen ihren biografischen Ausstellungsbereich im zweiten Obergeschoss zu zeigen. Begrüßt wurden die Besucherinnen und Besucher von unserer wissenschaftlichen Leiterin Dr. Steffi Lehmann und unserem Schüler-Freiwilligen Jason Baumann.
Annemarie Krause, geborene Weise, war Ende 1948 im Alter von 16 Jahren für drei Monate im Kaßberg-Gefängnis inhaftiert, bevor sie gemeinsam mit ihrer Mutter und einer Tante wegen „Versteckens eines Deserteurs der Roten Armee“ zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt wurde und nach Bautzen, später ins NKWD-Lager Sachsenhausen und ins Frauenzuchthaus Hoheneck gebracht wurde. Die Jugendliche hatte sich zuvor in einen sowjetischen Soldaten verliebt. 1947 brachte sie die gemeinsame Tochter zur Welt. Das Paar wollte als Familie zusammenleben.
Ihr Geliebter bat um Entlassung aus dem Militär, die ihm verweigert wurde. Als seine Rückführung in die Sowjetunion drohte, planten beide die Flucht in den Westen. Erst Anfang 1954 wurde Annemarie Krause aus der Haft entlassen. Ihr aus dem heutigen Moldau stammender damaliger Freund Maksim war nach Sibirien verschleppt worden. Er heiratete später ebenso wie Annemarie Krause in der Heimat. Beide sahen einander nicht wieder.
Roland Steinbach war als Jugendlicher ohne Grundlage der Betätigung als sogenannter Werwolf gegen die sowjetische Besatzungsmacht bezichtigt worden. Er war mehr als sechs Jahre in Lagern und Gefängnissen in der Sowjetischen Besatzungszone und in der Sowjetunion inhaftiert. Haftorte waren unter anderem Schloss Rochlitz, das Speziallager Mühlberg und die Stadt Anschero-Sudschensk im Verwaltungsbezirk Kemerowo im westlichen Sibirien. Dort musste Roland Steinbach unter schlimmen Bedingungen im Steinkohlebergbau und auf Baustellen arbeiten.
Unsere Fotos zeigen oben Dr. Steffi Lehmann, Karl-Heinz Krause, Patricia Della Bella Herford, Annemarie Krause, Verena Della Bella und Roland Steinbach (v.l.) im Eingangsbereich unseres neuen Lernorts, außerdem unten die Besucherinnen und Besucher im biografischen Ausstellungsbereich über Annemarie Krause im zweiten Obergeschoss sowie Verena Della Bella, Roland Steinbach und Jason Baumann im biografischen Ausstellungsbereich über Wolfgang Looß, der wie Roland Steinbach als angeblicher „Werwolf“ inhaftiert war.
Weitere Informationen über das Haftschicksal von Annemarie Krause finden Sie in unserer Dauerausstellung, und wenn Sie hier klicken, ein ausführliches Zeitzeugenporträt über Roland Steinbach lesen Sie hier auf der Website der Vereinigung der Opfer des Stalinismus.